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Von Verlierern wollte in der Partei niemand reden. Aber Claudia Roth (vorn) und Renate Künast erreichten ihr Ziel nicht. Foto: Gero Breloer/dpa

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Politik: Zukunft in der Niederlage

Roth schweigt nach der Grünen-Urwahl vorerst. Künast hat Aussichten in Berlin – dafür hat sie vorgesorgt.

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Berlin - Jürgen Trittin geriet nach der Verkündung des Urwahlergebnisses in Schwärmen. Die Grünen seien „die Mitmachpartei Deutschlands“, sagte er am Sonnabend. Das Spitzenergebnis, das er mit knapp 72 Prozent erhielt, sei „Ehre und Herausforderung“ zugleich. Katrin Göring-Eckardt, die mit Trittin das Spitzenduo für den Wahlkampf bildet, beeilte sich zu versichern, dass es „keine Verlierer“ gegeben habe. Da hat sie als Siegerin gut reden. Aber ob die unterlegene Claudia Roth jetzt noch Parteivorsitzende bleiben will, ist offen. Fraktionschefin Renate Künast, auf Platz drei gelandet, dagegen will im Berliner Landesverband erneut antreten.

Die 56-Jährige hatte nach dem verpatzten Wahlkampf in Berlin und dem schnellen Rückzug aus der Landespolitik einen schweren Stand in ihrem Landesverband. Der Frust in den Kreisverbänden war gewaltig, weil Künast zunächst Selbstkritik vermissen ließ. Der Groll hat sich inzwischen gelegt. Nachdem ihr die Berliner Grünen im April bei der Wahl in den Parteirat des Landesverbands einen schmerzhaften Denkzettel verpassten und ihre langjährige Spitzenkandidatin beinahe durchfallen ließen, begann Künast gegenzusteuern und suchte wieder das Gespräch mit der Parteibasis. „Sie war viel in den Kreisverbänden unterwegs“, sagte die Berliner Landesvorsitzende Bettina Jarasch. Jarasch war schon vor Monaten davon überzeugt, dass Künast wieder auf Platz eins der Landesliste kandidieren würde. Für die Berliner Grünen sei dies wichtig. Immerhin könnten sie die Vorsitzende der Bundestagsfraktion ins Rennen schicken: „Wir brauchen sie“, sagt Jarasch. Auch wenn Künast bei der Urwahl der Spitzenkandidaten nur Dritte geworden sei, habe sie mit 38,6 Prozent der Stimmen doch ein gutes Ergebnis erzielt.

Bisher halten sich die Berliner Grünen mit Bundestagsambitionen noch zurück; in den Kreisverbänden werden derzeit zwar die Direktkandidaten gekürt, auf der Landesebene ist es aber relativ ruhig. Bewerber für die Landesliste haben sich noch nicht öffentlich gemeldet. Die bisherige Bundestagsabgeordnete Lisa Paus will wieder antreten. Der Innenpolitiker Wolfgang Wieland hingegen hat bereits seinen Rückzug aus der Bundespolitik angekündigt. Und der vierte Berliner Grüne, Hans-Christian Ströbele, ist seit 2001 ohnehin nicht über die Liste, sondern über das Direktmandat in Friedrichshain-Kreuzberg in den Bundestag eingezogen – als bisher einziger Grüner in der Bundesrepublik. Um das Direktmandat will er voraussichtlich auch im kommenden Jahr wieder kämpfen, das hat Ströbele angekündigt. Eine endgültige Entscheidung steht noch aus und ist wohl vom Verlauf seiner Krebserkrankung abhängig.

Inzwischen machen sich auch die Grünen im Bezirk Mitte Hoffnung, ein zweites Direktmandat in Berlin zu holen. Am Dienstag wählt der Kreisverband in Mitte seinen Direktkandidaten. Zu den aussichtsreichsten gehören der energiepolitische Sprecher der Abgeordnetenhausfraktion, Michael Schäfer, der Bildungsexperte Özcan Mutlu, und das Kreisvorstandsmitglied Tilo Fuchs. In der Stadt am bekanntesten ist zweifellos Mutlu, aber besser im Kreisverband vernetzt sind die beiden anderen Kandidaten.

Auch Parteichef Cem Özdemir will für das dritte Direktmandat in Stuttgart kämpfen. Der 46-Jährige rechnet sich nach dem Wahlsieg von Fritz Kuhn zum grünen Oberbürgermeister der baden- württembergischen Landeshauptstadt gute Chancen aus. Özdemir möchte unbedingt wieder in den Bundestag. Ende November werden die Grünen in Baden- Württemberg die Landesliste nominieren. Realpolitiker Özdemir tritt auf Platz zwei an, auf dem auch der Parteillinke Gerhard Schick kandidiert. Auch auf dem ersten Platz gibt es Kampfkandidaturen zwischen der Wirtschaftspolitikerin Kerstin Andreae vom Realo-Flügel und der Parteilinken Sylvia Kotting-Uhl.

Nach der Urwahl hat sich gezeigt, dass die Parteibasis Wert auf Ausgewogenheit zwischen den Parteiflügeln legt. Das könnte den Bundesparteitag am kommenden Wochenende beim Thema Sozialpolitik spannend machen. Göring-Eckardt und Künast sind Mitunterzeichnerinnen eines Antrags, die Kindergrundsicherung zügig einzuführen und das Ehegattensplitting zu ersetzen. Parteilinke kritisierten, dass den Grünen bisher ein sozialpolitischer Gesamtleitfaden fehle und die Frage nach der Finanzierung von Ausgaben weitgehend ungeklärt sei.

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