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Politik: Zum bitteren Ende

Falludscha ist die Hochburg der irakischen Widerständler – jetzt bereitet Washington die Eroberung vor

Es war die Ursünde, der Kardinalfehler des Krieges. So jedenfalls sieht es die Regierung in Washington. Keiner dort erinnert sich gern an jene grausamen Tage im April. Damals waren in der 300 000-Einwohner-Stadt Falludscha vier Amerikaner ermordet und verbrannt worden. Die verkohlten Leichen hängte man an Brücken. Bewohner der Stadt tanzten vor Freude. Die Bilder gingen um die Welt. Daraufhin griff eine große Zahl US-Marines die Stadt an. Dann hieß es, hunderte von Zivilisten seien durch die Offensive bereits gestorben, und Mitglieder der provisorischen irakischen Regierung verurteilten die Aktion. Schließlich wurde der Angriff abgeblasen. Seitdem gilt die Stadt als Hochburg der Rebellen.

Das soll sich nun ändern, der vermeintliche Fehler revidiert werden. Rund 25 000 amerikanische und irakische Soldaten wurden zusammengezogen. Seit Tagen ist Falludscha abgeriegelt. Rund drei Viertel der Bewohner sind geflohen. Mit schweren Bombardements bereitet die US-Luftwaffe die Bodenoffensive vor. Es ist die größte Militäroperation seit Beginn des Krieges. In Camp David wird US-Präsident George W. Bush laufend über den Stand der Dinge informiert. Doch die Entscheidung treffen die Kommandeure vor Ort. Offiziell indes gibt den Befehl der irakische Premier Ijad Allawi.

Diesmal sind die Amerikaner fest entschlossen. Dem „Al-Dschasira-Effekt“, der Proteste in der arabischen Welt auslösen dürfte, wollen sie standhalten. Das „Wall Street Journal“, das seine Fühler dicht am Puls der Regierung hat, publizierte am Freitag ein Editorial mit der Überschrift „Finishing in Falludscha“. Es sei grotesk, schrieb die Zeitung, dass „fortwährend Amerikaner von Bomben getötet werden, die in einer Stadt hergestellt werden, die sie nicht erobern dürfen – aus Angst vor politischen Konsequenzen“. Bis zu 5000 Aufständische sollen sich in Falludscha verschanzt haben, darunter der Topterrorist Abu Mussab al Sarkawi. Die Rebellen haben einen „Kampf bis zum bitteren Ende“ verkündet. „Entweder wir siegen oder kommen als Märtyrer ins Paradies“, sagen sie. Auch in Samarra, einer weiteren Widerstandshochburg im so genannten sunnitischen Dreieck, spitzt sich die Lage offenbar zu. Bei einer Serie von Bombenanschlägen und Kämpfen in der Stadt kamen am Samstag mindestens 33 Menschen ums Leben.

Die Warnung von UN-Generalsekretär Kofi Annan vor einer Offensive in Falludscha blieb indes ohne Wirkung. Annan hatte vor der US-Präsidentschaftswahl einen Brief an Bush, Blair und Allawi geschrieben. Er sorge sich um die „negativen Folgen“, die eine „größere Militäroperation“ auf die für Januar geplanten Wahlen im Irak haben werde. Die Reaktionen auf den Brief reichten von Verwunderung bis Wut. Iraks Premierminister Allawi wies das Schreiben als „konfus“ zurück. US-Außenminister Colin Powell rief Annan an, um diesen persönlich über die Verstimmung der US-Regierung zu informieren.

Aus Sicht Washingtons gibt es zur Eroberung Falludschas keine Alternative. Die Rebellion, die sich aufs sunnitische Herzland rund um Falludscha konzentriert, müsse unbedingt vor den Wahlen beendet werden, heißt es. Nur dann habe die Demokratie eine Chance. Laut Strategie sollen US-Soldaten die Rebellen besiegen und Einheiten der neuen irakischen Armee anschließend die Stadt kontrollieren. „Amerikanische Muskeln und ein irakisches Gesicht“, schreibt am Sonnabend die „New York Times“, sollen das Image der Operation prägen.

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