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Zusatzbeitrag: Koalition will Wettbewerbsrecht für Krankenversicherungen

Die Koalition will die Krankenversicherungen ans Wettbewerbsrecht ketten – gegen deren Widerstand.

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Als erste große Krankenkasse hat die DAK zum 1. Februar für ihre 4,9 Millionen Mitglieder einen Zusatzbeitrag von acht Euro beschlossen. Der 30-köpfige Verwaltungsrat sei der Empfehlung des Vorstands mit einer Enthaltung gefolgt, teilte ein DAK- Sprecher mit. Der Zusatzbeitrag werde sechs Wochen nach dem Stichtag fällig, also am 15. März. Zahlen müssen ihn nur Mitglieder, nicht beitragsfrei Mitversicherte. Auch einzelne Gruppen wie Wehrdienstleistende sind ausgenommen. Nach der Gemeinsamen Betriebskrankenkasse Köln (GBK), die den Zusatzbeitrag bereits seit dem Sommer von ihren rund 30 000 Mitgliedern erhebt, ist die DAK die zweite gesetzliche Kasse, die diese gesetzliche Möglichkeit nutzt. Allerdings haben noch sieben weitere Kassen Zusatzbeiträge angekündigt, darunter auch die KKH-Allianz.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe rief die Betroffenen auf, einen Kassenwechsel zu prüfen und erinnerte an deren Sonderkündigungsrecht. Schließlich gebe es auch Kassen, die keinen Zusatzbeitrag nähmen. Insgesamt haben dies 55 frei zugängliche Kassen für das Jahr 2010 garantiert. Der Sozialverband VdK drohte am Donnerstag mit Rentnerprotesten.

Der Bremer Gesundheitsökonom Gerd Glaeske kritisierte die Bundesregierung wegen der Zusatzbeiträge. Die Belastung von Millionen gesetzlich Versicherten hätte durch konsequente Sparmaßnahmen vermieden werden können, sagte Glaeske dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Allein bei Arzneimitteln könne man bis zu drei Milliarden Euro im Jahr sparen, wenn man die Preisgestaltung für neue Medikamente nicht länger den Herstellern überlasse. Insgesamt liege das Einsparpotenzial bei neun Milliarden Euro.

Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) kündigte an, Krankenkassen und Pharmaverbände zu Gesprächen ins Ministerium zu laden. „Das Ziel ist klar: Wir wollen die Effizienzreserven heben“, sagte Rösler der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Dass es bei Arzneimitteln Sparmöglichkeiten gebe, sei unbestritten.

Unterdessen wird im schwarz-gelben Regierungslager intensiv darüber nachgedacht, das Wettbewerbsrecht in Zukunft auch auf die gesetzlichen Krankenkassen anzuwenden. Bereits im Koalitionsvertrag hatten Union und FDP sich dazu verständigt. Auf die Ankündigung des Bundeskartellamtes, die zeit- und umfangsgleiche Einführung der Zusatzbeiträge unter Wettbewerbsgesichtspunkten zu prüfen, hatte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) bereits am Mittwoch positiv reagiert.

Experten fordern seit Jahren, das Kartellrecht auch auf gesetzliche Krankenkassen anzuwenden. Bislang findet das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen keine Anwendung, weil die Kassen öffentlich-rechtlich handeln. Und der Europäische Gerichtshof hat 2004 per Grundsatzurteil entschieden, dass die deutschen Kassen keine Unternehmen im Sinne europäischen Wettbewerbsrechts seien. Begründung: Sie nähmen eine rein soziale Aufgabe wahr, die auf dem Grundsatz der Solidarität beruhe und ohne Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt werde.

Der Bundesrat indessen verlangte im Jahre 2006, die Vorschriften des Wettbewerbsrechts auch auf Krankenkassen anzuwenden. Auf diese Weise könne man Leistungserbringer wie Ärzte und Kliniken vor der Marktmacht der Kassen schützen. Diese Forderung sei „nach wie vor für berechtigt“, sagte der Berliner Gesundheitsrechtsexperte Helge Sodan dem Tagesspiegel. Das Kartellrecht sollte „umfassend“ für die gesetzlichen Kassen gelten, forderte er. „Wenn Marktmissbrauch verhindert und ein funktionsfähiger Wettbewerb ermöglicht werden, nützt dies erfahrungsgemäß auch den Verbrauchern, indem sie höhere Qualität zu günstigeren Preisen erhalten.“ Helfen könne es etwa, den Versicherten freie Arztwahl und den Zugang zu einem breiten Arzneispektrum zu garantieren.

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen dagegen wehrt sich gegen die Ausweitung des Wettbewerbsrechts. Als Körperschaften öffentlichen Rechts unterlägen die Kassen ganz anderen Rechtsnormen als freie Unternehmen, die nur dem Profit verpflichtet seien, sagte Sprecherin Ann Marini.

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