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Politik: Zwangsarbeiter-Entschädigung: Hilfe für die Hilflosen

Bei der Entschädigung der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter ist nicht nur das fehlende Geld ein Problem, sondern auch die Zeit. Denn die wird für die Überlebenden knapp.

Bei der Entschädigung der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter ist nicht nur das fehlende Geld ein Problem, sondern auch die Zeit. Denn die wird für die Überlebenden knapp. Die Auszahlung verzögert sich immer weiter, so dass viele NS-Opfer sie wahrscheinlich gar nicht mehr erleben werden. Zudem laufen die Antragsfristen für Leistungen aus der Stiftung bald ab - in Polen bereits am 11. April, in den übrigen Ländern am 11. August.

Mühsam und langwierig ist auch die Suche nach Dokumenten, die für die Überlebenden den Nachweis der Zwangsarbeit erbringen. Beim Internationalen Suchdienst des Roten Kreuzes in Arolsen, der zentralen Anlaufstelle für solche Recherchen in Deutschland, ist die Flut der Anfragen kaum noch zu bewältigen; die Bearbeitungszeiten werden immer länger. Die Beschaffung der Nachweise wollen der Suchdienst, der Bundesverband Beratung für NS-Verfolgte und das Bundesarchiv jetzt erleichtern.

"Es kann nicht Sache der Überlebenden sein, all diese Dokumente in einem zeitraubenden Prozess hervorzubringen", sagte Lothar Evers vom Bundesverband Beratung für NS-Verfolgte. Doch derzeit fühlen sich viele mit dieser Bringschuld allein gelassen. Tausende von Briefen treffen täglich in Arolsen, aber auch beim Bundesarchiv oder bei Stadtarchiven ein. Viele ehemalige Zwangsarbeiter schreiben gleich an mehrere Stellen, um nach Dokumenten zu fragen, die ihr Schicksal belegen. Diese Last soll den Überlebenden nun abgenommen werden.

Die Partnerorganisationen, bei denen die ehemaligen Zwangsarbeiter ihre formlosen Anträge auf Entschädigung stellen, sollen die Angaben der Opfer in einer Liste zusammenfassen und nach Arolsen schicken. Nach Angaben von Charles-Claude Biedermann vom Internationalen Suchdienst können voraussichtlich 30 bis 40 Prozent aller Anfragen in Arolsen positiv beantwortet werden. Ein Großteil der Nachfragen wird an eine Koordinierungsstelle weitergeleitet und von dort aus an die Landesarchive verteilt. Doch selbst hier werden nicht alle notwendigen Dokumente verhanden sein. Ansprechpartner sind daher die Stadtarchive vor Ort, die Einwohnermeldeämter, Firmen oder Krankenkassen, wie Klaus Oldenhage vom Bundesarchiv erläuterte. Evers hofft, dass spätestens nach einem halben Jahr der Nachweis gefunden ist.

Doch wie viele Anfragen auf diese Weise in den kommenden Monaten beantwortet werden müssen, weiß niemand so genau. Selbst die Gesamtzahl der bisher vorliegenden formlosen Meldungen ist nach Angaben der Zwangsarbeiterstiftung nicht bekannt. Der Jewish Claims Conference sowie der International Organization of Migration (IOM) liegen demnach bereits jeweils rund 150 000 dieser formlosen Anträge vor, aus Tschechien kommen 70 000. Doch das ist erst der Anfang. Die größte Zahl der Anträge wird aus der Ukraine, Weißrussland und Russland erwartet. "Wir rechnen hier mit mehr als 500 000 Anträgen", so Biedermann.

Die Bundesstiftung geht davon aus, dass die zunächst anvisierte Zahl von einer Million Anträgen deutlich überschritten wird. Da ist es höchste Zeit, im Interesse der Opfer das Nachweis-Verfahren zu beschleunigen. Denn, so Evers, die Entschädigungssumme kann erst dann vollständig an die Betroffenen ausgezahlt werden, wenn alle Schicksale verifiziert sind.

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