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Politik: Zwangsarbeiter-Entschädigung: Letzte Hindernisse

Im Streit um die Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter ist derzeit ein Wort in aller Munde: ausreichend. Wann gibt es für deutsche Unternehmen genügend Schutz vor Klagen?

Im Streit um die Entschädigung der NS-Zwangsarbeiter ist derzeit ein Wort in aller Munde: ausreichend. Wann gibt es für deutsche Unternehmen genügend Schutz vor Klagen? Politisch wie juristisch ist dies die entscheidende Frage, die es auf dem Weg zur Auszahlung für die etwa eine Million noch lebenden Opfer zu beantworten gilt. Es ist aber auch die umstrittenste Frage.

Für die Wirtschaft ist die Sache klar. Alle Verfahren mit Präzedenzcharakter müssen erst einmal vom Tisch. Erst dann kann der Bundestag "ausreichende" Rechtssicherheit feststellen und damit - wie im Gesetz vorgesehen - das Geld für die überfällige Entschädigung freigeben. Das halten allerdings einige Parlamentarier für eine überzogene Maximalforderung. Eine 100-prozentige Sicherheit könne es sowieso nicht geben, argumentieren sie. Und sie verweisen seit Donnerstag auf Shirley Kram.

Die New Yorker Richterin hatte eine bedeutsame Sammelklage gegen deutsche Banken nach einigen unappetitlichen Hakeleien abgewiesen. Ausnahmsweise sind sich alle einig, dass dies ein entscheidender Schritt nach vorn ist. Denn wenn Kram alle bei ihr anhängigen Fälle abweist, blieben nur noch knapp ein Dutzend anderer Verfahren übrig. Das ist überschaubar, selbst für die Wirtschaft. Und nährt die Hoffnung, dass es noch vor der parlamentarischen Sommerpause Mitte Juli ein Startsignal für die Zahlungen geben könnte. Selbst ein von Amts wegen zur Skepsis verpflichteter Mann wie Otto Graf Lambsdorff hält das nun für denkbar. Vor wenigen Tagen noch klangen die Worte des Kanzlerbeauftragten sehr viel kritischer.

Überhaupt hängt jetzt vieles von Lambsdorff ab. Er ist es, der den Bundestag in einem Schreiben dazu auffordern wird, die "ausreichende Rechtssicherheit" festzustellen. Es aber jetzt schon zu tun, hieße die Wirtschaft zu brüskieren. Das wollen sowohl der Kanzler als auch sein Berater nicht. Also wird es Gespräche geben. Die Hinweise mehren sich, dass es schon sehr bald zu einem Treffen zwischen Schröder und Spitzen der großen deutschen Firmen kommt.

Für ein solches Gespräch gibt es zwei Szenarien: Es könnte sein, dass der Kanzler die Wirtschaftsvertreter überzeugt, ihre weiterhin vorhandenen Bedenken zurückzustellen und die Rechtssicherheit als ausreichend zu akzeptieren. Dieser Überzeugung ist Schröder jedenfalls seit Freitag. Das weitere Procedere ginge schnell über die Bühne: Lambsdorff schriebe den Bundestagsabgeordneten, und die träfen sich vermutlich nach Pfingsten im Reichstag zur Abstimmung. Noch im Sommer könnte dann mit den Zahlungen begonnen werden.

Es könnte auch sein, dass Schröder die Bedenken der Unternehmen nicht ausräumen kann. Man würde sich also im Juni wieder treffen und erneut über die Lage beraten. Bis dahin wären aber womöglich weitere Verfahren abgewiesen worden und der Druck so groß geworden, dass sich die Firmen mit einer größeren Rechtsklarheit zufrieden gäben. Dann kann es immer noch bis zum Sommer mit der Entschädigung klappen: Graf Lambsdorffs Brief hätten die Abgeordneten in der zweiten Juni-Hälfte in der Hand. Da die Parlamentarier mehr als guten Willens sind, ist eine Entscheidung noch im Juli durchaus denkbar.

Doch selbst wenn die rechtlichen Grundlagen für die Entschädigung beschlossen wären, heißt das nicht, dass die vielen betagten Opfer ihr Geld schon im August auf dem Konto haben. Es wird noch viele Wochen, ja vielleicht Monate dauern bis die Anträge bewilligt sind und das Geld ausgezahlt wird.

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