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Zypern: Die Einheit steht zur Wahl

Es ist ein Kandidaten-Dreikampf, Ausgang völlig offen. Der griechische Teil Zyperns stimmt über einen neuen Staatschef ab – und über die Zukunft der Insel.

Wenn die griechischen Zyprioten an diesem Sonntag zur Präsidentschaftswahl gehen, entscheiden sie nicht nur über ihren Staatschef. Die Wahl gilt auch als Weichenstellung für eine Wiedervereinigung oder eine dauerhafte Teilung der Insel.

Selten war der Wahlausgang so offen: Zwar kommen nur drei Kandidaten in die engere Wahl, aber die liegen in den Umfragen mit rund 30 Prozent fast gleichauf. Der amtierende Präsident Tassos Papadopoulos (74) konnte sich 2003 noch auf die Unterstützung der kommunistischen Akel verlassen, der stärksten Partei der Insel. Jetzt tritt Akel-Generalsekretär und Parlamentspräsident Dimitris Christofias (62) gegen ihn an. Er wirft Papadopoulos vor, Bemühungen um eine Wiedervereinigung torpediert zu haben.

Papadopoulos war im Jahr 2004 die treibende Kraft hinter dem Nein der Inselgriechen zum Einigungsplan des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan. In seiner Amtszeit schliefen die Einigungsbemühungen völlig ein. Seine Gegner werfen ihm vor, er wolle gar keine Zypernlösung. Das sagt auch Ioannis Kassoulidis (59). Der frühere Außenminister und jetzige Europa-Abgeordnete will sich als Präsident für Verhandlungen mit den Zyperntürken einsetzen sowie an einer Verbesserung der unter Papadopoulos stark strapazierten Beziehungen zur EU arbeiten.

Wohl keiner der drei Favoriten wird im ersten Durchgang die erforderliche absolute Mehrheit bekommen. Die beiden führenden Kandidaten müssten dann in zwei Wochen in die Stichwahl gehen. Weil es auf Zypern keine Briefwahl gibt, fliegen die Kandidaten jetzt mit subventionierten Tickets und Freiflügen Tausende Zyprioten aus dem Ausland ein. Besonders umworben sind die etwa 20 000 zyprischen Studenten in Großbritannien. Bei insgesamt 516 000 Wahlberechtigten haben sie ein Stimmenpotenzial von knapp vier Prozent. Präsident Papadopoulos hat für seine Anhänger 29 Charterflüge gebucht, darunter fünf Jumbo-Jets. So will er rund 7500 Wähler einfliegen.

Im Norden der Insel will der türkische Volksgruppenführer Mehmet Ali Talat keine Prognose über das Wahlergebnis wagen. Aber seine Sympathien dürften nicht Papadopoulos gehören. Talat sieht die Wahl als „letztes Fenster“ für eine Zypernlösung: „Wir haben nicht viel Zeit, unsere Volksgruppen entfremden sich immer mehr“. Talat hat 2004 wie die Mehrheit der türkischen Zyprioten für die Annahme des Annan-Plans gestimmt. Eine Wiederwahl von Papadopoulos, so fürchten dessen Gegner, würde weitere fünf Jahre Stillstand bedeuten.

Aber so oder so könnte die Zypernfrage nach der Wahl in Bewegung geraten – nur in eine andere Richtung als von den griechischen Zyprioten gewünscht: Der UN-Beauftragte Michael Möller kündigte an, die UN planten keine neue Initiative zur Wiedervereinigung. Der Däne deutete auch die Möglichkeit eines Abzugs der UN-Friedenstruppe an, die seit den Unruhen von 1963 auf der Insel stationiert ist. Angesichts der verhärteten Fronten erlahme Europas Engagement für eine Zypernlösung, sagt ein EU-Diplomat in Nikosia. Die wachsende Zahl von Besuchen ausländischer Delegationen im türkischen Inselnorden, wie kürzlich die Reise von Ex-Kanzler Gerhard Schröder, zeigt: Eine schleichende De-facto-Anerkennung Nordzyperns hat längst begonnen. Der Prozess wird sich beschleunigen, kehren die griechischen Zyprioten nicht an den Verhandlungstisch zurück.

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