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Prozess: Angeklagter: Es war Unfall, kein Mord

War es Mord oder ein tödlicher Unfall bei Sado-Maso-Spielen? Für den Tod der 20-jährigen Anja P. aus Zossen in Teltow-Fläming muss sich seit Dienstag ein 38-Jähriger Wissenschaftler aus Mainz vor dem Landgericht Potsdam verantworten.

Unter Tränen und mit zittriger Stimme verlas der Hobbyfotograf mit Hang zum Morbiden und Fesselspielen über drei Stunden lang eine mehr als 100 Seiten lange Stellungnahme. Darin schilderte er, was sich an einem Juli-Wochenende vergangenen Jahres in einer Pension in Beelitz-Heilstätten (Potsdam-Mittelmark) abgespielt haben soll – und widerspracht damit der Anklage.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Mord und Störung der Totenruhe vor. Der 38-jährige Michael F. soll seine Internet-Bekanntschaft zunächst mit einer Bratpfanne auf den Kopf geschlagen und sie dann „zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes“ erwürgt haben. Später verging er sich laut Anklage ein weiteres Mal an ihr. Von einer fahrlässigen Tötung spricht hingegen Verteidiger Matthias Schöneburg. Sein Mandant berichtete, wie er und die 20-Jährige sich im Frühjahr 2008 im Internet kennengelernt haben, wie sie sich zu einem Foto- Shooting in den Ruinen des Beelitzer Sanatoriums verabredet haben, und dass sich beide verliebt hätten. In einem Appartement hätten die beiden Sex gehabt – mit Augenmaske und Fesseln. Und sie hätten ein Rollenspiel ausgemacht, so wie sie es in einer über E-mails gemeinsam verfassten Geschichte erdacht hatten. Dabei soll es sich um Vergewaltigungsphantasien gehandelt haben.

Michael F. betonte wiederholt, dass er junge Frau nicht töten wollte und sich schuldig fühle. „Jegliches gewalttätiges Verhalten ist mir fremd“, sagte der mit Bestnoten promovierte und bis zur Tat in einem Museum in Frankfurt am Main tätige Naturwissenschaftler.

Nach seiner Darstellung hätte er der 20-Jährigen am Morgen mit der Bratpfanne gegen den Kopf geschlagen, sie gewürgt und Geschlechtsverkehr mit ihr gehabt. Dass sich die Frau nicht mehr bewegte, wunderte ihn erst nicht, da die Frau nicht die verabredeten Signale, falls es ihr zu viel würde, zeigte. Er habe geglaubt, sie täusche die Reglosigkeit nur vor. Erst später habe er gemerkt, dass sie nicht mehr atmete. Die Vorwürfe, dass er sich später noch einmal an der Leiche verging, wies er als „abscheulich“ zurück.

Tränenreich entschuldigte er sich bei den Eltern des Opfers, die als Nebenkläger auftreten, und betonte, dass wohl kaum jemand im Umfeld die dunklen Seiten und Ängste der 20-jährigen gekannt habe. Sie habe das Treffen regelrecht forciert, nicht er. Für die Eltern waren diese Worte kaum auszuhalten, sie verließen kopfschüttelnd den Saal. Der Prozess ist bis Ende August auf 18 Verhandlungstage angesetzt. Im Kern geht es um den Nachweis eines Mordvorsatzes und um die Frage, ob die Einwilligung des Opfers zur Gewalt gegen sie bei einem Urteil berücksichtigt werden kann. Der Vorsitzende Richter der Strafkammer, Frank Tiemann, erklärte gestern, statt eines Mordurteils könnte auch ein Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung oder Körperverletzung mit Todesfolge in Betracht kommen. 

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