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Exklusiv: Krampnitz und andere Affären: Anklage im Skandal um Brandenburger Landesimmobilien

Beim Verkauf früherer Militärflächen aus Landeseigentum in Oranienburg und Bad Saarow sieht die Staatsanwaltschaft Untreue. Unter den sechs Angeklagten ist ein alter Bekannter: Frank Marczinek. Er soll Brandenburgs Landeskasse um Millioneneinnahmen gebracht haben.

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Potsdam - Nun wird der Skandal um unter Wert veräußerte frühere Militärflächen aus Brandenburger Landeseigentum doch noch ein Fall für die Strafjustiz. Die Staatsanwaltschaft Potsdam hat vor dem Landgericht Potsdam Anklage gegen sechs Personen erhoben. Darunter ist auch die zentrale Figur der Affäre: Frank Marczinek, einst Inhaber des früheren, 2006 zu - für den Unternehmer - günstigen Konditionen für einige Hunderttausend Euro privatisierten Landesunternehmens Brandenburgische Bodengesellschaft mbH (BBG), dass die Landesimmobilien, überwiegende frühere Militärflächen vermarktete.

Marczinek, einst Stasi-Spitzel und NVA-Offizier, später Geschäftsmann

Marczinek war ein enger Vertrauter von Ex-Minister Rainer Speer (SPD), in dessen Zuständigkeit als Finanzminister die Privatisierung fiel. Marczinek war nach der Wende kuzrzeitig Staatssekretär unter Verteidigungsminister Rainer Eppelmann. Als NVA-Offizier soll er in der DDR als Inoffizieller Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) mit dem Decknamen „Frank Wulff“ Soldaten bespitzelt haben, wie aus seinen Stasi-Akten hervorgeht. Nach der Wende machte er weiter Karriere. Sein Unternehmen BBG sollte im Landesauftrag und mit üppigem Geschäftsbesorgungsvertrag ausgestattet die Flächen verkaufen – zum besten Preis. Was offenbar nicht geschah.

Den Angeklagten wird Untreue vorgeworfen, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft den PNN am Freitag sagte. Sie sollen bewusst pflichtwidrig nicht im Vermögensinteresse des Landes gehandelt haben, indem sie zwei frühere Landesliegenschaften in Oranienburg (Oberhavel) und Bad Saarow (Oder-Spree) unter Verkehrswert verkauft haben. Im Fall einer Verurteilung drohen ihnen bis zu fünf Jahre Haft.

Verdacht aus Untersuchungsausschuss bestätigt

Die Anklage bestätigt damit den von CDU und Grünen im von 2010 bis 2014 tätigen Krampnitz-Untersuchungsausschuss des Landtags gehegten, aber von der rot-roten Mehrheit von SPD und Linke stets zurückgewiesenen Verdacht, dass die BBG Landeseigentum unter Wert verkaufte.

Bei den Potsdamer Krampnitz-Kasernen gab es auch unzählige Ungereimtheiten auch im zuständigen Finanzministerium, dem die Staatsanwaltschaft Kontrollversagen attestierte. Um Untreue-Verdacht war es auch bei den Vorgängen um die Krampnitz-Immobilie gegangen, in deren Mittelpunkt ebenfalls Marczinek stand. Auch in diesem Fall war Speer als Minister verantwortlich. Der Verkauf der Kaserne im Potsdamer Norden für wenige Millionen Euro ist bis heute eines der wichtigsten Entwicklungsgebiete der Landeshauptstadt und nach wie vor infolge der Veräußerung an dubiose Käufer juristisch umkämpft. Im Fall Krampnitz hatte die Staatsanwaltschaft ebenfalls ermittelt, das Verfahren aber eingestellt. Nun ist die Behörde aber bei den anderen beiden, ebenfalls vom Untersuchungsausschuss geprüften Fällen fündig geworden.

Dem Land entgingen acht Millionen Euro

Im Fall Oranienburg ist Marczinek gemeinsam mit drei weiteren Personen angeklagt. Es geht um Grundstücksgeschäfte mit einem früheren, 65 Hektar großen Hubschrauber-Flugplatz der Roten Armee. Dort wurde entgegen dem Landesauftrag nicht der beste Preis erzielt. Dem Land könnten acht Millionen Euro entgangen sein. Die BBG hatte das Gelände im Jahr 2009 an die Firma Berlin-Brandenburger Flächenentwicklungs GmbH (BBF) verkauft, die personell und finanziell eng verstrickt war mit Marczineks BBG – also dem Verkäufer, der für das Land Brandenburg auftrat. 205 000 Euro zahlte die BBF damals für die Flugplatz-Flächen in die Landeskasse und verkaufte sie gewinnbringend weiter. Ein Drittel des Areals ging für 5,6 Millionen Euro an den Lebensmittelkonzern Rewe, der dort ein Zentrallager baute. Insgesamt wurde kurze Zeit nach dem Verkauf des Landeseigentums die Hälfte der Fläche für mehr als acht Millionen weiterverkauft - mit dem Segen des Finanzministeriums. Schon als die Staatsanwaltschaft im August 2013 die Ermittlungen aufnahm, sprach die Behörde von einer auffällig explosiven Steigerung, die nicht zu erklären sei.

Unter anderem Rewe hatte sich damals schon längere Zeit um die Fläche für ein Zentrallager bemüht und bot 5,6 Millionen Euro ab. Marczinek gab später der BBF den Zuschlag, die viel weniger geboten hatte, angeblich weil Rewe ein erschlossenes Grundstück verlangte, dass von der BBF samt Munitionssuche erst entwickelt werden musste.  

In Bad Saarow geht es um mehr als 200 000 Euro

Auf Druck der rot-roten Koalition stellte der Untersuchungsausschuss des Landtags in seinem Abschlussbericht dazu fest, es gebe keine Anhaltspunkte, dass der Kaufpreis vorsätzlich zulasten des Landes zu niedrig angesetzt worden sei. Die Staatsanwaltschaft sieht das anders.

Bereits seit 2012 ermittelt die Behörde im Fall Bad Saarow. Dort geht es um eine Schadenssumme von 232 000 Euro. Die BBG hatte beim Verkauf von Filetgrundstücken auf einer Kasernenanlage für eine Eigenheimsiedlung ein In-sich-Geschäft abgewickelt und einen viel zu niedrigen Preis für das vormalige Landeseigentum verlangt. Über ein Firmenkonstrukt hatte sich die BBG genau in jene Firma eingekauft, an die sie kurz zuvor die Flächen überaus günstig verkauft hatte. 2002 hatte eine Gutachterin einen Wert von 411 000 Euro für das Gelände ermittelt. 2007 stellten die Gutachter noch einen Verkaufswert von 37 000 Euro fest. 1997 soll das Grundstück laut einem Gutachten von Dritten 1,53 Millionen Euro wert gewesen sein. Verkauft wurde es 2007 für 42 000 Euro. Die PNN hatten den Fall vor sechs Jahren publik gemacht.

Wie die SPD die Aufklärung im Untersuchungsausschuss blockierte

Die Sachlage war auch für den Untersuchungsausschuss klar, doch besonders die SPD hatte lange Zeit blockiert. Sie konnte sich im Abschlussbericht  trotz klarer Signale der Staatsanwaltschaft nur zu der Formel durchringen, dass ein Schaden für das Land nicht ausgeschlossen werden könne und die Staatsanwaltschaft ermittle. Zuvor hatte Rot-Rot die Aufklärungsarbeit in dem Ausschuss selbst massiv behindert, sodass die Oppositionsfraktionen CDU und Grüne sogar vor das Landesverfassungsgericht ziehen mussten. Maßgeblich verantwortlich damals für die Blockadehaltung der SPD war der heutige Landtagsfraktionschef Mike Bischoff. Sein stetes Mantra damals: Es ist kein Schaden entstanden. Erst spät, als die Beweislage erdrückend war, musste auch die SPD Versäumnisse einräumen.

Dabei waren massive, erst durch den Ausschuss behobene Ungereimtheiten zutage getreten: bei der Privatisierung der BBG mit günstigen Konditionen für Marczinek zulasten der Landeskasse, das Versagen der Kontrollinstanzen im Finanzministerium, die Täuschung des Landtags beim Verkauf von Landesvermögen.

CDU-Politiker Dierk Homeyer: "Anklage bestätigt meinen Verdacht"

Für Dierk Homeyer, damals CDU-Obmann im Ausschuss, ist die Anklage eine späte Bestätigung seiner Arbeit, aber auch für die der Medien. RBB und PNN hatten die Details der beiden Fälle damals recherchiert und publik gemacht. „Ich wäre damals fast am Rechtsstaat verzweifelt“, sagte Homeyer nun. „Aber ich bin froh, dass ich drangeblieben bin. Der Kraftakt hat sich gelohnt.“ Durch die Anklage sehe er sich in seinem Verdacht bestätigt, dass die Liegenschaften zum Schaden des Landes verkauft wurden. Homeyer erinnerte daran, dass die Opposition die Prüfung der beiden Fälle nur gegen größte Widerstände der Koalition im Ausschuss durchsetzen konnte. Die politisch Verantwortlichen für die Skandale könnten nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden.

Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagte: „Der Untersuchungsausschuss wirkt mit Verzögerung. Die Anklage beweist, dass wir auf der richtigen Fährte waren.“ Mit Blick auf SPD-Fraktionschef Bischoff sagte Vogel: „Das sollte all jene zur Demut zwingen, die jahrelang vorgegeben haben, es sei kein Schaden entstanden.“ 

Allerdings ist fraglich, wie hoch die Strafen bei einer Verurteilung dann tatsächlich ausfallen. Besonders der Zeitfaktor kommt Angeklagten beim Strafmaß meist zugute, weil die Taten so lange zurückliegen und auch die Ermittlungen sich über Jahre hinzogen.

RÜCKBLICK

Fußball, Filz und Festplatten - wie im Jahr 2011 ein Potsdamer Geflecht aus Politik, Sport und Wirtschaft um den SV Babelsberg 03 in sich zusammen brach. Mit dabei bekannte Namen: Paffhausen, Speer, Marczinek - Lesen Sie hier

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