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Brandenburg: Auf dem Weg zur freien Heide

Die gestrige Niederlage der Bundeswehr weckt Hoffnung auf ein baldiges Ende des Bombodrom-Konflikts

Potsdam - Sektlaune und Katerstimmung. Die Anhänger der Bürgerinitiativen FreieHeide aus Nordbrandenburg und Freier Himmel ließen gestern Abend noch im Potsdamer Verwaltungsgericht die Korken knallen. Unweit davon stand ein resignierter Mann in Uniform und sagte: „Wir hatten auf eine Entscheidung zu unseren Gunsten gehofft. Enttäuscht sah er aus und war er wohl auch, der 3-Sterne-General und Luftwaffeninspekteur Klaus-Peter Stieglitz, als er hinter schob: „Schon im Interesse der Lastenverteilung in ganz Deutschland hatten wir uns sehr für den Truppenübungsplatz bei Wittstock eingesetzt.“ Da hatte die dritte Kammer des Verwaltungsgerichtes Potsdam – besetzt mit drei Berufsrichterinnen – entschieden, dass die Bundeswehr den früheren russischen Truppen- und Luft-Boden-Übungsplatz bei Wittstock auch weiterhin nicht nutzen darf.

Das große Ganze gegen die gallischen Provinzler und Friedensbewegten. So hat es die Bundeswehr 15 Jahre lang gesehen, so wird sie es weiter sehen – aber es wird ihr wohl nicht mehr viel nutzen. Das weiß auch Stieglitz. Das Verteidigungsministerium werde nun die schriftliche Begründung des Urteils genau studieren und dann über eine mögliche Berufung entscheiden, sagte er noch. Dabei hatte sein Minister.

Das Gericht hatte gestern Abend drei Klagen gegen die im Jahre 2003 vom damaligen Verteidigungsminister Peter Struck erteilte Betriebserlaubnis Recht. Die Lärmbelastungen durch die bis zu 150 Meter tief fliegenden Kampfjets seien für die Menschen zu hoch, urteilte das Gericht. Außerdem seien Formationsflüge und Platzrunden über dem 12 000 Hektar großen Areal zwischen Neuruppin, Rheinsberg und der Müritz nur unzureichend berücksichtigt worden.

Die Kammer hatte drei von insgesamt 20 Klagen gegen einen Übungsbetrieb auf dem in den fünfziger Jahren von der russischen Armee eingerichteten Übungsplatz für das Verfahren ausgewählt. Während sich die Märkische Putenfarm in Gühlen-Glienicke bei Rheinsberg durch die Tornados um die Gesundheit und die Legefreudigkeit der mehreren 100 000 Tieren sorgte, sahen die Gemeinde Lärz am Südzipfel der Müritz und ein hier ansässiger Hotelbetreiber die touristischen Investitionen in Gefahr. Seit 1990 waren rund um den Übungsplatz 18 000 Arbeitsplätze im sanften Tourismus entstanden. „Die wären bei einem Übungsbetrieb nicht zu halten gewesen“, sagte der Chef der FreienHeide, Benedikt Schirge. Seine Bürgerinitiative wolle sich jetzt an die Landesregierungen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern wenden, damit sie politischen Druck auf den Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) ausüben. „Mit dem Gerichtsurteil müsste doch nach einem 14 Jahre dauernden Streit endlich ein politischer Verzicht durchzusetzen sein“, so Schirge.

Minister Jung hatte im Vorfeld angedeutet, bei einer „unerwarteten Niederlage“ vor Gericht einen kompletten Rückzug aus Wittstock zu erwägen. Seine Hoffnungen beruhten auf einem neuen Lärmgutachten, das nach Ansicht der Luftwaffe die Unbedenklichkeit des Fluglärms für die Bewohner beweisen sollte. Das spielte allerdings für die Entscheidung des Gerichtes letztendlich keine Rolle. Es wies einen entsprechenden Beweisantrag des Bundeswehr-Anwalts zurück, die neuen Rechenmodelle durch einen weiteren Sachverständigen überprüfen und bestätigen zu lassen.

„Das hätte uns weitere zwei Jahre Unsicherheit gekostet“, hatte der Anwalt der Kläger aus Lärz, Reiner Geulen, prognostiziert. „Am Ende stehen wir wieder ganz am Anfang.“ Er warf dem Verteidigungsministerium „naive Gedanken“ und „Flickschusterei“ vor. Es habe immer noch nicht die Notwendigkeit einer Gesamtplanung für den einstigen russischen Übungsplatz erkannt.

Landrat Christian Gilde (SPD) aus dem Kreis Ostprignitz-Ruppin forderte die Bundeswehr auf, endgültig den Wittstocker Platz aufzugeben. Gilde, damals Bürgermeister Wittstocks, hatte den ersten Widerstand gegen die Bundes organisiert.Kurz nachdem er vor fast genau 15 Jahren, im Sommer 1992, die Bürgermeister der Anliegerorte der Bombodroms zum Protest in der Dorfkneipe in Schweinrich versammelt hatte, war draus die Bürgerinitiative FreieHeide entstanden.

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