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Baerbock wieder Spitzenkandidatin: Außenministerin führt Brandenburger Grüne in den Bundestagswahlkampf
Nach dem Debakel bei der Landtagswahl müssen die Bündnisgrünen im Bund schnell wieder den Erfolg finden. In Potsdam kommt es erneut zum Duell zwischen Annalena Baerbock und Olaf Scholz.
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Fürs Wundenlecken und Wehklagen fehlt die Zeit. Brandenburgs schwer angeschlagene Grüne ziehen erneut mit Annalena Baerbock als Spitzenkandidatin in den Bundestagswahlkampf und geben sich trotz ihres Ausscheidens aus dem Landtag zuversichtlich. Die Außenministerin, seit 2013 Bundestagsabgeordnete, wurde bei einem Landesparteitag am Samstag in Cottbus mit 91,6 Prozent der 131 Delegiertenstimmen auf Platz 1 der Landesliste gewählt.
Sie sei dankbar, dass sie „mit dem Herzen aus meiner Heimat Brandenburg, meinem Zuhause in Potsdam, Politik für die Welt“ machen dürfe, hatte die Außenministerin zuvor in ihrer Bewerbungsrede gesagt. Das wolle sie auch nach dem Bruch der Ampel gerne fortsetzen, „mit harter Arbeit, mit Anstand und im Miteinander“. Die Grünen würden sich an einem Wahlkampf, „der darauf abzielt, den demokratischen Mitbewerber kleinzumachen und im Zweifel sogar mit Dreck zu bewerfen, nicht beteiligen“, sagte sie.
Gleichzeitig wurde sie bei der Asylpolitik deutlich. „Schwerstverbrecher, die sich gegen unsere liberale Gesellschaft stellen, haben ihren Anspruch auf Schutz verwirkt“, betonte die Grünen-Politikerin. Ebenso deutlich müsse aber auch gelten: „Kinder, die hier seit Jahren zur Schule gehen, Menschen, die hier eine Ausbildung gemacht haben, die gehören zu Deutschland.“
Promi-Duell im Wahlkreis 61
Zuvor hatte der neue Grünen-Bundesvorsitzende Felix Banaszak in Cottbus für Baerbock geworben. Sie mache, wie von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beim Thema Krieg und Frieden gefordert, Politik „mit kühlem Kopf“, aber – und das sei der Unterschied zwischen den beiden – „ohne dabei ein kaltes Herz zu haben“.
Bereits am Mittwoch war die Potsdamerin zur Direktkandidatin für den Wahlkreis 61 gekürt worden, sodass es in der Landeshauptstadt wieder zum Promi-Duell zwischen ihr und Scholz kommt. Mit einem Unterschied: 2021 waren beide Kandidaten für das Kanzleramt. Diesmal geht für die Grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ins Rennen um den höchsten Regierungsposten.
Habeck-Staatssekretär auf Platz 2 der Landesliste
Dessen Parlamentarischer Staatssekretär Michael Kellner aus der Uckermark wurde mit 85,5 Prozent wieder auf Platz 2 der Brandenburger Liste gewählt. Der Bundestagsabgeordnete, der die Taskforce zur Zukunft der PCK-Raffinerie in Schwedt leitete, hatte überraschend einen Gegenkandidaten: den gerade erst Grünen-Mitglied gewordenen Potsdamer Erwin Keeve, Professor für Robotik an der Berliner Charité.
Insgesamt wurde eine Landesliste mit sechs Bewerbern aufgestellt, doch die märkischen Grünen haben keine realistische Chance auf mehr als zwei Mandate; bei der Bundestagswahl 2019 holten sie neun Prozent.
Lehren aus dem Bundesrats-Eklat
Bei der Landtagswahl im September stürzten die Grünen auf 4,1 Prozent ab, flogen aus dem Landtag. Und kurz vor der geplanten Regierungsübernahme durch SPD und BSW flogen sie auch aus der alten Koalition mit SPD und CDU, nachdem Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher im Streit über die Krankenhausreform auf dem Flur des Bundesrats entlassen hatte.
Das war eine politische Hinrichtung.
Alexandra Pichl, Grünen-Landesvorsitzende, über die Entlassung Ursula Nonnemachers als Gesundheitsministerin durch SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke
Eine „politische Hinrichtung“, sei das gewesen, sagte die Grünen-Landesvorsitzende Alexandra Pichl in ihrer Rede. Von einem nicht geplanten „Exit mit Doppelwumms“, sprach Axel Vogel, der aus Solidarität mit Nonnemacher als geschäftsführender Umweltminister seinen Rücktritt erklärt hatte. Ein Fehler in der vergangenen Legislaturperiode sei es gewesen, Woidke nicht schon früher die gelb-rote Karte gezeigt zu haben, als dieser im Bundesrat entgegen den Koalitionsregeln gegen das Cannabisgesetz stimmte, obwohl es die Grünen befürworteten. „Wir sind die netten Grünen gewesen“, sagte Vogel, das habe sich bei der Landtagswahl gerächt.
Fehlersuche nach der Landtagswahl
„Wir haben bei der Landtagswahl Fehler gemacht“, sagte auch Nonnemacher in ihrer Rede. „Vom taktischen Wählen habe ich sowas von die Schnauze voll“, fügte sie hinzu. Man habe sich zu sehr auf den Kampf gegen Rechtsextremismus fokussiert, anstatt weitere eigene Inhalte in den Mittelpunkt zu rücken. Dass Woidke die Wahl schließlich auf eine Entscheidung zwischen ihm und der AfD zugespitzt habe, habe viele Stimmen von Grünen-nahen Wählern gekostet.
Die Grünen seien zudem „zu stark evidenzbasiert“, sagte Nonnemacher in der Cottbuser Stadthalle. Es reiche nicht, Lösungen anzubieten, man müsse auch die Stimmungen bei den Menschen mehr wahrnehmen, sagte die 67-jährige Ärztin aus Falkensee (Havelland). „Gerade im Osten herrscht nach der schwierigen Transformation nach der Wende eine große Verlustangst.“ Diese Ängste müsse man aufgreifen und dürfe nicht nur seine parteipolitische Agenda adressieren.
Nach dem Bruch der Ampel-Koalition im Bund hätten die Brandenburger Grünen 300 neue Mitglieder gewonnen und stünden nun bei einem Rekord von rund 3300, sagte Landesparteichefin Alexandra Pichl. Diesen Schwung wolle man für den anstehenden Winterwahlkampf nutzen.
Neue Landesparteispitze erst nach der Bundestagswahl
Pichl, die im Januar in Kleinmachnow erste hauptamtliche Bürgermeisterin der Grünen im Land werden will, und ihre Co-Vorsitzende Hanna Große Holtrup hatten erklärt, nach der Wahlschlappe den Weg für eine neue Parteiführung freimachen zu wollen. Die Neuwahl der Landesspitze soll allerdings erst bei einem Parteitag im März stattfinden, um einer neuen Führung nicht kurzfristig den Bundestagswahlkampf aufzubürden.
Harsche Kritik an geplanter SPD-BSW-Koalition
Mit der in Vorbereitung befindlichen Brandenburger Koalition aus SPD und BSW gingen sowohl Pichl als auch Baerbock hart ins Gericht. Ministerpräsident Woidke stelle den eigenen Machterhalt über die Sicherheit der Bundesrepublik und Europas, indem er mit der russlandfreundlichen Wagenknecht-Partei zusammenarbeiten wolle. Das sei gefährlich, sagte Baerbock.
Brandenburg dürfe nicht zum Sprachrohr russischer Interessen werden, warnte Pichl mit Blick darauf, dass BSW-Landeschef Robert Crumbach das Europaministerium übernehmen soll. „Crumbach und das BSW stehen für alles, was wir ablehnen“, sagte sie. Der Europa-Abgeordnete der Grünen, Sergey Lagodinsky, bezeichnete das geplante rot-lila Brandenburger Bündnis in Cottbus als „feige Feigen-Koalition“.
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