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Brandenburg: Das S-Bahn-Rattern klingt wie Musik

An den Savignyplatz kehrt das Leben zurück – weil endlich wieder die Züge rollen

An den Savignyplatz kehrt das Leben zurück – weil endlich wieder die Züge rollen Von Christian van Lessen „Dieses Geräusch“, seufzt Thorsten Körber, blickt hoch, lauscht verzückt: „Das ist für mich Musik.“ Vor allem ist es eine Mischung aus Zischen, Pfeifen und Donnergrollen. Körber, Chef des Lokals „XII Apostel“, hat auf diese Musik 14 Monate lang gewartet. Wie alle Geschäftsleute rund um die Bahnbögen am Savignyplatz oder auch Anwohner wie die Rentnerin Maria Kopf, die aus dem vierten Stock auf die Bahngleise unter sich sehen kann. „Die Züge sind herrlich.“ Weil die S-Bahn zwischen Zoo und Charlottenburg wegen Streckenarbeiten stillgelegt war, hatte dieses Herzstück der West-City eine teils lähmende Stille befallen, die auch das schrille und schnelle Rauschen der Fernzüge nicht wettmachen konnte. Ein Lebensnerv war gekappt. Seit gestern rollt es wieder. Die Bahn-Ader saugt tagsüber im Drei- Minuten-Abstand Tausende von Menschen an, spuckt sie wieder aus – und langsam füllen sich die Läden und Restaurants. „Das war hier“, sagt Körber, „eine Geisterstadt.“ Die Frau im Zeitungskiosk der Bahnhofshalle ist am Mittag vom Geschäft noch enttäuscht, „die Öffnung muss sich erst herumsprechen.“ Am Platz haben die Umsatzeinbußen in den Läden und Restaurants bis zu 50, 60 Prozent betragen, der Bäcker gegenüber der Zeitungsfrau hat dicht gemacht, etliche Geschäfte mussten Leute entlassen. Im Geschenkeladen „Scenario“ ist der Inhaber noch so deprimiert, dass er sich über die rollende Bahn überm Kopf kaum freuen kann. „Ich will nicht darüber reden.“ Vielen Geschäftsleuten wurde erst spät klar, wie sehr sie von der Bahn abhängig sind. Die Croissanterie des „XII Apostel“ war darauf spezialisiert, dass Bahnkunden, auch viele Radfahrpendler vom Wochenende, auf die Schnelle belegte Brötchen kaufen. Das Lokal konnte den Verlust nicht wettmachen, war wegen des Lärms und Staubs der Bahnbaustelle ohnehin beeinträchtigt. „Wir haben gelitten“, sagt auch Ben Liemann aus der Café-Bar „en passant“ in den Bahnbögen, „aber es ist wichtig, dass wir die Zeit überstanden haben und keinem kündigen mussten.“ Die Bahn habe die Umsatzrückgänge wenigstens mit einer Mietminderung von 30 Prozent honoriert. Ruthild Spangenberg vom „Bücherbogen am Savignyplatz“ glaubt, dass es mindestens noch ein halbes Jahr Anlaufzeit dauert, bis sich das Geschäft wieder normalisiert. Die Fußgängerströme hätten sich völlig verändert, das merkten auch die Geschäftsleute an der Bleibtreu- und Schlüterstraße.

Christian van Lessen

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