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Brandenburg: „Das sprengt jede dörfliche Struktur“

Reinhard Jung, Geschäftsführer des Bauernbundes Brandenburg, über Folgen der Massentierhaltung, schwarze Schafe und übt Kritik an den Kritikern

Herr Jung, unter dem Motto „Wir haben es satt“ hat ein Netzwerk mehrerer Tier- und Umweltschutzorganisationen im Rahmen der Grünen Woche für Samstag wieder zu einer Demonstration in Berlin gegen die Massentierhaltung aufgerufen. Sie werfen den Organisatoren „selbstgerechte praxisferne Schreierei“ vor. Warum?

Weil dort ein Sammelsurium unterschiedlicher Gruppen aufeinandertrifft, die offensichtlich selbst gar nicht so genau wissen, was sie wollen. Hauptsache, sie wettern gegen die Landwirtschaft. Es gibt gegenwärtig jede Menge Bestrebungen, das Tierwohl zu verbessern, die sich natürlich in bäuerlichen Größenordnungen besonders gut verwirklichen lassen. Viele unserer Mitglieder beteiligen sich an Programmen wie Neuland, Bioland, Naturland und so weiter. Warum demonstrieren die Tier- und Umweltschützer nicht vor Supermärkten, um die Verbraucher von diesen Gütesiegeln zu überzeugen? Warum bauen sich die Kritiker nicht selbst kleine Landwirtschaftsbetriebe auf, etwa mit Freiland-Geflügelhaltung und Direktvermarktung Richtung Berlin. Wenn man fleißig ist und sparsam investiert, kann das durchaus eine Perspektive sein. Wir freuen uns über jeden neuen Bauern in Brandenburg, das meine ich ernst. Aber immer nur von Nicht-Landwirten erklärt zu bekommen, wie man eigentlich Landwirtschaft machen sollte, das haben wir auch irgendwann satt.

Brandenburgs SPD-Agrarminister Jörg Vogelsänger hat vor Kurzem gesagt, Brandenburg bräuchte mehr Tierhaltung und jede Investition in die Tierhaltung sei auch eine Investition in das Tierwohl. Hat er recht?

Beim ersten Punkt ausnahmsweise ja. Tierhaltung ermöglicht eine hohe Wertschöpfung auf schwachen Standorten. Das ist eine Chance für die Streusandbüchse Brandenburg. Bei der Kritik an Massentierhaltung wird häufig übersehen, dass es nach der Wende in allen neuen Bundesländern einen drastischen Abbau der Tierbestände gegeben hat. Derzeit haben wir die absurde Situation, dass in Westdeutschland die Tierhaltung ohne Futtergrundlage ausgedehnt wird, während in Ostdeutschland organischer Dünger fehlt. Konkret: Im Emsland werden die Hühner mit Weizen aus der Prignitz gefüttert, der Hühnertrockenkot kommt auf Lkw zurück in die Prignitz. Aus fachlicher landwirtschaftlicher Sicht und im Sinne von Nachhaltigkeit brauchen wir unbedingt mehr Tierhaltung.

Hat Herr Vogelsänger denn auch mit dem Tierwohl recht?

Das ist schwierig zu beantworten, weil wir die Tiere nicht fragen können. Zweifellos haben Nutztiere heute ein Mehr an Komfort in klimatisierten, teilweise geräumigen Ställen mit perfektionierter Fütterung – gleichzeitig stehen sie unter einem enormen Leistungsdruck, um diesen Komfort zu refinanzieren. Das verbindet das Nutztier von heute in gewisser Weise mit dem modernen Menschen. Aber bevor ich ins Philosophische abgleite: Fakt ist, solange die Tiere fressen und zunehmen, sind sie gesund. Insofern halte ich nichts von der pauschalen Kritik vieler Tierschützer an den modernen Haltungsbedingungen.

Also ein Ja des Bauernbundes zur Massentierhaltung?

Der Begriff Massentierhaltung wird gern als Kampfbegriff auch gegen die Bauern missbraucht, das ärgert uns. Gleichwohl, das will ich nicht verheimlichen, erschreckt uns die Größe einiger in Brandenburg geplanter Anlagen. Als Vertretung der Famlienbetriebe wollen wir viele Bauern und eine breite Streuung des Eigentums. Schweineanlagen mit 10 000 und Hähnchenanlagen mit 500 000 Mastplätzen konzentrieren wirtschaftliche Macht in den Händen weniger, sie sprengen jede dörfliche Struktur und bringen natürlich Umweltbelastungen mit sich allein durch die notwendigen Transporte und Emissionen. Deshalb haben wir Verständnis für Anwohner, die sich gegen solche überdimensionierten Anlagen in ihrer Umgebung wehren. Ich würde so etwas auch nicht gern im meinem Dorf haben.

Die vorige Bundesregierung hat mit der Änderung des Baurechts versucht, die Zunahme großer Anlagen zu erschweren. Wer nicht ausreichend Fläche vorweisen kann, erhält nur noch schwer eine Bauerlaubnis im ländlichen Raum. Reicht das?

Auswirkungen sehe ich vor allem in Westdeutschland, weniger bei uns, ganz einfach, weil wir in der Regel ausreichend Fläche haben. Derzeit wird diskutiert, Neuanlagen mit über 300 Kühen, 2 000 Schweinen und 80 000 Hähnchen auch unabhängig von der Flächenausstattung die baurechtlichen Privilegien zu entziehen. Das finde ich nachvollziehbar. Es geht hierbei ja nicht um den Misthaufen, der dem feinen Nachbarn stinkt, sondern um Größenordungen, für die Umweltverträglichkeitsprüfung und Emissionsschutzgutachten erforderlich sind. Allerdings muss es einen Bestandsschutz für Anlagen geben, die im Vertrauen auf die derzeitige Rechtslage errichtet wurden.

Brandenburgs Grünen-Landtagsfraktion will ein wissenschaftliches Gutachten zum Antibiotika-Einsatz in der Tiermast erstellen lassen. Man gehe von einem massenhaften Einsatz aus, heißt es. Ist ein solches Gutachten aus Ihrer Sicht notwendig?

Wo die schwarzen Schafe sind, lässt sich auch durch Kontrollen feststellen. Als Berufsverband vertreten wir die Interessen unserer Mitglieder und reden ihnen nicht rein in die Wirtschaftsweise. Ich glaube aber sagen zu können, dass der präventive Einsatz von Antibiotika, ebenso übrigens wie die standardisierte Verwendung von Glyphosat auf dem Acker, von unseren Mitgliedern überwiegend abgelehnt wird. Das ist eine Landwirtschaft nach Schema F und entspricht nicht unserer Qualifikation. Ein Verbot wäre aber keine Lösung, denn das würde auch die vielen Tierhalter treffen, die Antibiotika nur kurativ einsetzen. Sachgerecht wären vielmehr wirtschaftliche Anreize, den Einsatz auf notwendige Behandlungen zu beschränken.

Die Fragen stellte Matthias Matern

Reihnard Jung (48)

ist Geschäftsführer des Bauernbundes Brandenburg. In Lennewitz in der Prignitz betreibt er zusammen mit seiner Frau einen etwa 32 Hektar

großen Bauernhof.

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