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Brandenburg: „Die Geste des Weltretters ist unangebracht“

Der Landtagsabgeordnete Dierk Homeyer über das Verhalten von Wirtschaftsminister Ralf Christoffers in den Fördermittel-Affären

Erst Odersun, nun Human Bio-Sience, Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers verteilt Geld an fragwürdige Investoren. Was läuft da schief?

Zunächst einmal: Ich habe schon vor eineinhalb Jahren Akteneinsicht genommen und gesagt, dass der Minister beratungsresistent zu sein scheint und einsame Entscheidungen trifft. Und ich habe schon damals gesagt, dass der Minister meiner Ansicht nach im Fall Odersun gegen alle Vorschriften Steuergelder rechtswidrig vergeben hat. Der Landesrechnungshof hat die Kritik aufgenommen und eine Sonderprüfung durchgeführt. Das Ergebnis ist für den Minister und das Wirtschaftsministerium niederschmetternd. Nun wissen wir durch den Fall der Firma Human Bio-Sience, dass es wohl so zu sein scheint, dass er wieder Druck auf die ILB ausgeübt hat, auch wenn er es diesmal nicht schriftlich angewiesen hat. Anders ist es ja nicht zu erklären, warum nach den Gesprächen des Ministers mit der Geschäftsführung des Unternehmens, gegen die die Staatsanwaltschaft ermittelt, weitere Millionen durch die Förderbank ILB ausgezahlt wurden. Zumal die ILB ja selbst Anzeige gegen das Unternehmen erstattet hat. Die Landeshaushaltsordnung scheint für den Wirtschaftsminister nicht bindend zu sein. Mit einer seriösen Amtsführung hat das nichts tun.

Noch mal der Reihe nach. Wo genau sehen Sie Verfehlungen bei Minister Christoffers im Fall Odersun?

Der Minister hat zu verantworten, dass Anfang 2012 ein Unternehmen, das de facto insolvent war, auf seinen Druck hin mit drei Millionen Euro frischem Steuergeld versorgt wurde. Sechs Wochen später war das Unternehmen pleite. Mehr als die Hälfte des Geldes haben sich völlig überbezahlte Manager in die Tasche gesteckt, gegen die jetzt wegen des Verdachts auf Insolvenzverschleppung ermittelt wird. Das ist ein Skandal, den der Minister allein zu verantworten hat.

Aber die für die Ausreichung der Nothilfegelder zuständige Förderbank des Landes, die ILB, hätte sich doch querstellen können?

Die ILB hat wie andere interne und externe Berater von Anfang an daraufhin gewiesen, dass eine weitere Förderung von Odersun zu risikoreich ist. Der Minister hat sich darüber hinweggesetzt und die ILB schriftlich angewiesen, die drei Millionen Euro auszuzahlen. Skandalös ist, dass der Minister mit der Firma Odersun vorher – unter Umgehung der üblichen Verfahrenswege – die Konditionen abgesprochen hat und sie dann der ILB diktiert hat. Und das ist dann von der Förderbank umgesetzt worden. Im Geschäftsbesorgervertrag des Landes mit der ILB steht, dass der Auftraggeber weitreichende Direktionsrechte hat. Wenn der Minister etwas anordnet, dann ist das eine Weisung.

Der Landesrechnungshof hat noch einmal in der Sache Odersun in einem neunseitigen Schreiben an das Ministerium deutliche Kritik an Christoffers geäußert. Ein einmaliger Vorgang. Was bedeutet das?

Der Minister hat bei seinen Rückzugsgefechten versucht, durch mehrere Schreiben das vernichtende Urteil des Landesrechnungshofs abzumildern, durch trickreiches Formulieren den Rechnungshof auszubremsen und die Schuld auf die ILB zu schieben. Der an sich zurückhaltende Landesrechnungshof hat dem Minister eine Antwort geschrieben, für die sich der Minister und die Ministerialbürokratie schämen sollte. Das Amt des Wirtschaftsministers hat Schaden genommen. Herr Christoffers ist offensichtlich überfordert, das Amt gewissenhaft auszuüben. Ministerpräsident Woidke ist aufgefordert, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.

Auch bei der Firma Human Bio-Sience in Luckenwalde soll der Minister nach Gesprächen mit der Unternehmensführung Einfluss bei der ILB genommen haben, damit wegen Betrugsverdachts gesperrte Fördergelder fließen. Wie bewerten Sie diesen Vorgang?

Ich kann nicht nachvollziehen und bin empört, dass Christoffers in Kenntnis von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen das Unternehmen und Geschäftsführung wegen möglichen Subventionsbetrugs Gespräche mit den Inkriminierten geführt hat. Statt dafür Sorge zu tragen, dass der Fördermittelbescheid außer Kraft gesetzt wird und gemäß der Landeshaushaltsordnung weiterer Schaden vom Land abgehalten wird, sind weitere Gelder in Millionen Höhe geflossen.

Aber muss ein Fördermittelvorgang gestoppt werden, nur weil Ermittlungen geführt werden, aber die Schuld noch nicht festgestellt wurde?

Die Förderbank ILB hat doch selbst erkannt, dass bei dem Unternehmen etwas nicht sauber läuft und hat Anzeige erstattet. Auch das Finanzamt hatte Unregelmäßigkeiten bemerkt. Alle Fakten deuteten darauf hin, dass etwas nicht in Ordnung war. Das hätte zwingend dazu führen müssen, dass die Fördermittelauszahlung auf Eis gelegt wird. Es ist völlig unverständlich, dass Christoffers bei diesem Sachverhalt mit den Leuten Gespräche geführt hat. Und weiteres Geld hat die ILB nach diesen Gesprächen an die Firma ausgezahlt, gegen die sie selbst Anzeige erstattet hat. Und da soll der Minister keinen Einfluss genommen haben? Wer es glaubt, wird selig. Ich habe eher den Eindruck, dass er in diesem Fall genauso beratungsresistent wie bei Odersun agiert hat.

Ministerpräsident Woidke verteidigte die Odersun-Gelder als politische Entscheidung für die damals beabsichtige Sicherung von Arbeitsplätzen. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel sagte, er wünsche sich Minister, die sich auch mal gegen den Beamtenapparat durchsetzen können, wenn es um politische Ziele geht.

Ein Minister hat selbstverständlich seine Ministerentscheidungen zu treffen. Auch mutige Minister sind willkommen. Aber wenn man eine einsame Entscheidung gegen den Rat aller internen und externen Berater und der eigenen Förderbank trifft, dann ist man haushaltsrechtlich gezwungen, bei seiner Entscheidung sorgfältigst das Für und Wider abzuwägen und seine abweichende Entscheidung schriftlich zu dokumentieren. Dies handschriftlich wie bei Odersun auf einem Zettel in fünf kurzen Punkten zu tun, ist grob fahrlässig und reicht bei Weitem nicht aus. Er hätte auch veranlassen können, weitere Expertisen einholen können. Und es gab schon ein Gutachten, dass das Risiko für eine weitere Förderung als zu hoch einschätzt. Er hätte es vielleicht vorher lesen sollen. Somit ist es eine willkürliche Entscheidung und aus meiner Sicht auch nicht rechtstaatlich. Dafür trägt Minister Christoffers die Verantwortung.

Der Minister räumt im Fall Odersun ein, dass es nachträglich ein Fehler war. Bei Human Bio-Sience pocht er auf den Rechtsanspruch des Unternehmens auf die Fördermittel.

Es ist doch die vornehmste Aufgabe eines Ministers, Schaden vom Land abzuwenden und sorgfältig in der Beurteilung der Sachverhalte zu sein. Die große Geste des Weltretters ist völlig unangebracht, wenn es um die Vergabe von Millionen Euro Steuergeldern geht.

Das Interview führte Alexander Fröhlich

Dierk Homeyer, 58, (CDU) ist seit 1994 Abgeordneter im Landtag. Er ist wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion und sitzt im Untersuchungsausschuss zur Krampnitz-Affäre.

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