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Brandenburg: Ganz und gar nicht albern

Hoch die behaarten Beine in Brandenburgs bestem Männerballett

Hoch die behaarten Beine in Brandenburgs bestem Männerballett Von Imke Hendrich Wittstock. Dehnen ist nicht ihre Sache. Lieber gleich nach kurzem Aufwärmen los legen – mit ordentlichem Hüftschwung sowie erstaunlich eleganten Schrittfolgen und dann heißt es auch noch: Hoch die behaarten Beine. In Brandenburgs derzeit bestem Männerballett im Wittstocker Carneval Club (WCC) ist der Spaßfaktor zwar wichtig, aber eine reine Gaudi sehen die 15 Herren zwischen 26 und 55 Jahren nicht in ihrem doch recht ungewöhnlichen Sport. „Wir tanzen richtige Formationen und das nicht nur zur Karnevalszeit“, sagt Trainerin Annetta Göhler. „Girls, Girls, Girls“ – der unvergessene Schlager dröhnt aus den Lautsprechern im kahlen Trainingsraum. Die „Girls“ (Mädchen) unter den tanzenden Männern schwingen dazu die Hüften und tänzeln auf ihre Partner zu. Denn: „Wir machen Paartanz, die kleinen Männer bleiben Männer, die großen müssen rein in die Damen-Strumpfhose. So sieht es am besten aus“, sagt Göhler. Und die Verwandlung in eine tanzende Dame geschieht mit allem drum und dran, von der blonden Perücke über das aufwendige Make-up bis hin zum kurzen Röckchen. „Eine Fleischbeschauung gibt es aber nicht“ lacht der 55-jährige Axel Steinkopf. Seit der ersten Stunde des Männerballetts vor neun Jahren ist der Versicherungskaufmann mit dabei. Einmal pro Woche treffen sich die tanzenden Männer in einem mit Spiegelwänden ausgestatteten Kellerraum auf dem Gelände des einstigen Obertrikotagenbetriebs von Wittstock, um für Vorführungen und Turniere zu trainieren. Der diesjährige Tanz steht ganz im Zeichen der 70er Jahre und mit dieser immerhin fast fünf Minuten langen Shownummer gewannen die Wittstocker unlängst zum wiederholten Male das brandenburgische Freundschaftsturnier – die inoffizielle Landesmeisterschaft – bei dem 15 Truppen antraten. „Deutsche Meisterschaften gibt es leider bislang nicht, das wäre aber eine tolle Sache“, meint Vereinspräsidentin Doris Kohlmetz. Der Bund Deutscher Karneval e.V. (Köln), in dem 4700 Vereine Mitglied sind, steht dem zumindest offen gegenüber. „Wir würden die Ernsthaftigkeit eines entsprechenden Antrages prüfen, aber solche Meisterschaften wären durchaus denkbar“, sagt Präsident Franz Wolf. Allerdings seien reine Männerballetts in Westdeutschland selten, im Rheinland gar unbekannt. „Bei uns sind Männertruppen bislang völlig undenkbar“ meint Wolf. Das kann das Wittstocker Ensemble gar nicht verstehen, das jetzt erstmals über die Landesgrenzen hinaus und als Abschluss der heißen Phase dieser Saison in Sternberg zur inoffiziellen Landesmeisterschaft der Männerballetts von Mecklenburg-Vorpommern eingeladen war. „Das Tanzen ist ein wunderbarer Ausgleich und mal was Anderes als Fußball“, sagt der 35 Jahre alte Michael Thiel. Und albern sei das ganz und gar nicht. Bevor das Training richtig los geht, flachsen die elf Männer, die an dem diesjährigen Tanz mitwirken, noch herum. Doch sobald die Musik einsetzt, sind alle ganz bei der Sache – und völlig synchron. Als fünf Paare und ein Solist gestalten die Männer Formationen. Nach spätestens zwei Minuten stehen ihnen erste Schweißperlen auf der Stirn und das Lächeln fällt schon etwas schwer. Nach der Schlusspose sind sie dann ganz schön außer Atem – die Besitzer der 22 behaarten Männerbeine.

Imke Hendrich

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