zum Hauptinhalt

Brandenburg: Heiraten, Kaffee trinken oder einfach nur in die Ferne schauen

„Tele-Spargel“– „Protzkeule“ – „Sankt Walter“: Vor 40 Jahren begann der Bau des Berliner Fernsehturms

„Tele-Spargel“– „Protzkeule“ – „Sankt Walter“: Vor 40 Jahren begann der Bau des Berliner Fernsehturms Von Ulrike von Leszczynski Berlin - Wenn die Berliner ein Gebäude ins Herz schließen, bekommt es Spitznamen. Der Berliner Fernsehturm auf dem Alexanderplatz hat über die Jahre gleich mehrere erhalten: „Protzkeule“, „Tele-Spargel“ oder „Sankt Walter“. Vor 40 Jahren, am 4. August 1965, begannen die Arbeiten am Prestigebau der DDR. Bis heute ist er mit seinen 368 Metern der höchste Fernsehturm Deutschlands geblieben. Als ein Wahrzeichen Berlins ist er noch immer ein Besuchermagnet: Mehr als 47 Millionen Gäste genossen seit 1965 den unverwechselbaren Panoramablick auf Berlin. „Nu, Genossen, da sieht man es ganz genau. Da gehört er hin“, soll DDR-Partei- und Staatschef Walter Ulricht im September 1964 gesagt haben. Dazu tippte er, glaubt man den Berichten, auf einem Ostberliner Stadtplan mitten auf den Alexanderplatz. Zu diesem Zeitpunkt war bereits eine zehn Jahre währende Diskussion um den Turm-Standort ins Land gegangen. Schlossplatz? Müggelberge? Nein, am Ende entschieden sich Ulbricht und das Planungskollektiv doch für den zentralen Platz im Herzen der Hauptstadt der DDR. Dann musste es ganz schnell gehen. Bevor die Baugenehmigung endgültig vorlag, begannen bereits die Ausschachtungsarbeiten. Der Spott der Berliner ließ trotz der Ingenieurleistung während der mehrjährigen Bauzeit nicht lange auf sich warten. Während die SED-Oberen gern vom „Weltniveau“ sprachen, auf dem sich die DDR gern orientierte, beobachteten Berliner aus Ost und West einen seltsamen Lichtreflex auf der Edelstahlhaut der nagelneuen Turmkugel. Strahlt die Sonne, zeigt der Fernsehturm bis heute weithin sichtbar ein Kreuz. Das sei die Rache Gottes, hieß es damals in Anspielung auf die atheistischen DDR-Machthaber. Vielleicht auch die Rache des Westens? Den Stahl für die Turmkugel hatte zumindest Krupp geliefert. Die SED sei über das Lichtspiel so verärgert gewesen, dass sie sogar einen Abriss des Turms erwogen habe, schreibt Peter Müller in seinem Fernsehturm-Buch „Symbol mit Aussicht“. Aus dieser Zeit soll auch der Turm-Spitzname „Sankt Walter“ stammen, ein Spott auf Ulbricht, heute fast vergessen. Der Turm blieb damals, wo und wie er war. Die DDR-Oberen hatten andere Sorgen: Der „Tele-Spargel“, wie ihn das damalige SED-Zentralorgan „Neues Deutschland“ gern nannte, war mit 200 Millionen DDR-Mark rund sechs Mal so teuer geraten wie geplant. Er war ein unglaublicher Devisenschlucker: Die Thermofenster mussten in Belgien bestellt werden, Fahrstühle und Klimaanlagen in Schweden. Die Bundesrepublik lieferte neben der Kugelhaut auch Scheinwerfer. Doch symbolisch zum 20. Jahrestag der DDR im Oktober 1969 eröffnet, war der Ärger schnell vergessen. Das Drehrestaurant des Fernsehturms wurde zu einem der beliebtesten Cafés Ostberlins. Die Antennen des Turms, die heute bis auf eine Höhe von 368 Meter in die Höhe ragen, waren aber auch für den Westen interessant. Sie halfen – zum Verdruss der DDR-Führung – Westprogramme weiter denn je in Ostdeutschland auszustrahlen. Oben im Restaurant saßen allein bis 1989 Millionen von Besuchern. Sie sahen nicht nur Berlin aus der Vogelperspektive. Sie sahen auch, wie die Mauer eine Stadt und ein Land teilte. In Westdeutschland gab es Gerüchte, dass dem DDR-Volk der Blick ins „Freie Berlin“ mit schwarzen Planen unmöglich gemacht werde. Darüber lächeln alte Fernsehturm-Fans noch heute. Wie sollte das wohl funktionieren – in einem Drehrestaurant? Witze gab es natürlich auch. „Wenn der Fernsehturm umfällt, sind wir wenigstens im Westen“, sollen manche Café-Besucher geulkt haben. An ihrer Beliebtheit hat die „Protzkeule“, wie einige Westberliner den Prestige-Turm nannten, seit der Wende nichts eingebüßt. Heiraten kann man heute dort oben – oder einfach nur in die Ferne schauen. In 40 Sekunden bringen Aufzüge die Gäste auf rund 200 Meter Höhe. An der Panoramabar gibt es Drinks, das Restaurant „Tele-Café“ dreht sich zwei mal pro Stunde um die eigene Achse. Und wer sich Berlin nähert, ob nun mit dem Zug, dem Auto oder dem Flugzeug, der weiß: Bei gutem Wetter grüßt der Fernsehturm immer zuerst. www.berlinerfernsehturm.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false