zum Hauptinhalt

Polizeireform in Brandenburg vor dem Scheitern: Justiz kritisiert Innenminister

Erstmals kritisiert ein Leitender Oberstaatsanwalt offen die von Innenministerium geplante Umsetzung von Kripo-Beamten in den Streifendienst. Wegen der massiven Probleme erklärt Ministerpräsident Woidke die Polizeireform zur Chefsache.

Potsdam - Der Druck auf Brandenburgs Landesregierung, weitreichende Korrekturen an der vor dem Scheitern stehenden Polizeireform vorzunehmen, wächst. Erstmals wendet sich nun der Chef einer Staatsanwaltschaft in Brandenburg öffentlich gegen die von den PNN aufgedeckten Pläne von Innenminister Ralf Holzschuher (SPD), durch die Reform entstandene Personallücken im Streifendienst mit Kriminalbeamten zu stopfen.

„Die Umsetzungen werden sich katastrophal auf das bereits notleidende Strafverfolgungsniveau im Lande auswirken“, sagte der Neuruppiner Leitende Oberstaatsanwalt Gerd Schnittcher den PNN. Er beklagte zugleich die ohnehin schon bestehenden Mängel der Arbeit der Kriminalpolizei, die durch den von Holzschuher und dem Polizeipräsidium erwogenen Abzug von bis zu 200 Beamten in den Streifendienst zusätzlich verschärft werden. „Schon jetzt ist es kaum noch möglich, personalintensive Ermittlungen über den erforderlichen Mindestzeitraum zu führen“, sagte Schnittcher, der eine der vier Staatsanwaltschaften in Brandenburg leitet. Es bestehe keinerlei Spielraum mehr beim Personal der Kriminalpolizei, sagte Schnittcher und verwies auf die lange Dauer der Ermittlungsverfahren. „Mit einigen Möglichkeiten der Strafprozessordnung, zum Beispiel längerfristigen Observationen, brauchen wir der Kripo gar nicht zu kommen“, erklärte der Leitende Oberstaatsanwalt. „Ermittlungen sind immer öfter mit der heißen Nadel gestrickt und haben vor Gericht keinen Bestand.“

Ob Innenminister Holzschuher überhaupt noch eingreifen kann, um ein komplettes Scheitern der Reform zu verhindern, ist fraglich. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der bis August selbst Innenminister war und bis dahin schon leichte Korrekturen versprochen hatte, erklärte die Polizeireform nun zur Chefsache und kündigte ein weitere Abkehr vom ursprünglich geplanten Stellenabbau an. „Die ursprünglichen Pläne sind nicht mehr realistisch“, sagte Woidke der „Bild“-Zeitung. Auf die vielen Einbruchdiebstähle im Speckgürtel und die deutlich höheren Kriminalitätszahlen in den Grenzgemeinden müsse man reagieren. „Ich nehme die Situation sehr, sehr ernst“, sagte Woidke. „Das heißt, wir werden die mit der Polizeireform geplante Stellenzahl der geänderten Situation anpassen.“ Ursprünglich war ein Personalabbau von 8 900 auf 7000 Beamte im Jahr 2020 geplant. „Ich habe zuletzt von 7300 bis 7400 Stellen gesprochen. Aber auch diese Zahl muss noch an die tatsächlichen Anforderungen angepasst werden“, sagte Woidke.

Derzeit prüft das Polizeipräsidium im Auftrag des Innenministeriums Lösung, wie die Lücken, insbesondere im Streifendeinst, zu schließen sind. „Wir prüfen jetzt zusätzlich die organisatorischen Abläufe in den Direktionen. In wenigen Tagen stellen wir erste Erg ebnisse vor“, sagte Woidke. „Dann werde ich eine Entscheidung treffen.“

Tatsächlich haben Innenministerium und Polizeiführung durch die neue Polizeistruktur – vier Direktionen, 15 Inspektionen, 50 Reviere – mit massiven Problem zu kämpfen und festgestellt, dass das Konzept nicht aufgeht. Zwischen den Ebenen herrscht Zuständigkeits-Chaos, auf Inspektionsebene sollen laut „Bild“-Zeitung „Schatten-Stäbe“ entstanden sein, weil die Direktionsstäbe ihren Führungsaufgaben nicht nachkommen.

Innenminister Holzschuher hatte kurz vor Weihnachten Defizite eingeräumt. Demnach sind im Land deutlich weniger Streifenwagen unterwegs als vor der Reform versprochen. Die Lücken will Holzschuher auch mit Kriminalbeamten besetzen. Die Ursprungsidee, auf Führungsebene Personal deutlich zu sparen, die Zahl der normalen Polizisten nur leicht anzupassen und damit weiterhin die Zahl von 150 bis 160 Streifenwagen abzudecken, funktioniert nicht. Tatsächlich sind es im Schnitt zwischen 100 und 120 Fahrzeuge. Mit 200 Beamten der Kripo, möglicherweise auch aus den Stäben und Führungsdiensten könnten 15 Streifenwagen zusätzlich pro Tag im Einsatz sein. Die Staatsanwaltschaften sehen das kritisch: Um die Kriminalität zu bekämpfen, brauche man keine Streifen, sondern eine ausreichend ausgestattete Kriminalpolizei.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false