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Brandenburg: Klimawandel freut die Wildschweine

Besonders in Ostbrandenburg sind sie zur Plage geworden und hinterlassen Spuren der Verwüstung

Besonders in Ostbrandenburg sind sie zur Plage geworden und hinterlassen Spuren der Verwüstung Von Bernd Kluge Beeskow - Der Kurpark Bad Saarow ist ein nächtlicher Tummelplatz für die Wildschweine, die Eigenheimsiedlung Müllrose ebenso wie der Frankfurter Hauptfriedhof.Überall hinterlassen die Eindringlinge Spuren der Verwüstung – umgepflügte Grünflächen und Blumenbeete, zerstörte Gehwegplatten, aufgerissene Wege. Wildschweine sind überall im Land Brandenburg zur Plage geworden. Schuld daran ist auch der Klimawandel, sagt Matthias Fochtmann von der Jagdbehörde des Kreises Oder Spree. „Richtig harte Winter hatten wir doch schon lange nicht mehr, eine natürliche Auslese findet nicht statt.“ Und auf das massenhafte Nahrungsangebot im Herbst 2003 reagierten die Tiere naturgemäß mit verstärkter Vermehrung. „Viele Bachen brachten im Frühjahr acht bis zehn Frischlinge zur Welt – absoluter Rekord“, bestätigt Wolfgang Bethe, Präsident des Brandenburger Jagdverbandes. Vor allem in Ostbrandenburg tummeln sich die Wildschweine. Allein im Landkreis Oder-Spree leben derzeit rund 10 000 Bachen und Keiler. Nur 4600 Exemplare haben die etwa 1300 Waidmänner des Kreises im letzten Jagdjahr geschossen – im Jagdjargon „eine magere Strecke“. In den Vorjahren waren es durchschnittlich 7000. Für den Fachmann von der unteren Jagdbehörde ist der Einbruch bei den Abschusszahlen nicht verwunderlich. Hatten es die Wildschweine doch aufgrund des Nahrungsüberflusses gar nicht nötig, aus der Deckung zu kommen. In Wald und Flur gab es genügend – von den weiten Raps- und Maisfeldern zu schweigen. „Da quartieren sich komplette Rotten über Wochen ein. Kein Jäger bekommt die Tiere so vor die Flinte.“ Am Frankfurter Hauptfriedhof sollen die Zäune mit Eisenstangen verstärkt werden. Fachmann Fochtmann: winkt ab: „Das wird nicht lange was nützen.“ Schließlich machen die Wildschweine selbst vor Gartentoren und Zaunpfählen nicht mehr halt, hebeln jedes Hindernis einfach aus. In Bad Saarow entstand aus Beuteln, die mit Menschenhaaren befüllt wurden, ein Duftzaun. Der hielt die Wildschweine in den vergangenen Wochen auch fern. Doch der „Gestank“ wurde für die Anwohner unerträglich, als die Haare zu faulen begann. Nun soll ein Duft-Granulat helfen, das am Ortsrand ausgestreut wird und gewissermaßen einen miefenden Bannkreis um den Kurort zieht. Fochtmann und der Bad Saarower Jagdpächter Gerd Greifert bleiben skeptisch: „Die Schwarzkittel sind schlau, bemerken den Bluff nach einer gewissen Zeit.“ Noch schlimmer werde es im Winter, wenn Hunger die Allesfresser in Menschennähe treibe, da die Leib- und Magenspeise der wilden Schweine – Eicheln und Bucheckern – gibt es in dieser Saison kaum, die Bäume hatten nur wenige Früchte. „Vielfach müssen die Tiere gar nicht mehr aus dem Wald in die Siedlungen laufen – sie leben schon mittendrin“, erklärt Fochtmann. Etwa im stark zersiedelten Müllrose oder in Frankfurt mit seinen verwilderten Brachflächen. Einzige Lösung: Die Jäger müssen den Wildschweinen näher ans Fell rücken. 60 000 bis 70 000 erlegte Wildschweine nennt der Brandenburger Landesjagdverband als Richtzahl für die laufende Saison. Um effektiver zu jagen, haben sich die Waidmänner an Oder und Spree revierübergreifend zu Hegegemeinschaften zusammengeschlossen.

Bernd Kluge

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