zum Hauptinhalt

INTERVIEW: „Man muss nicht das ganze Land umkrempeln

Brandenburg steht eine neue Reform der Kreisgebiete bevor, die letzte war 1993. Wie nötig ist ein Neuanlauf?

Brandenburg steht eine neue Reform der Kreisgebiete bevor, die letzte war 1993. Wie nötig ist ein Neuanlauf?

Ich halte eine Kreisgebietsreform für notwendig. Brandenburg muss vielfach einen dramatischen Bevölkerungsrückgang hinnehmen. Wenn Landkreise unter eine bestimmte Einwohnerzahl rutschen, dann werden sie zum großen Kostenfaktor für das Land, das aber sparen muss.

Ministerpräsident Platzeck spricht von 60 000 Einwohner pro Kreis. Wo liegt denn diese magische Grenze?

In der Verwaltungswissenschaft ist man von 160 000 Einwohnern ausgegangen. Das hat Brandenburg schon bei der ersten Kreisgebietsreform nicht erreicht. Jetzt gilt: Bei Kreisen unter 100 000 Einwohnern muss man handeln. Aber es gibt keine exakte Zahl, das ist eine Abwägungsfrage.

Wie groß ist der Druck?

Hoch. Bis 2020 muss Brandenburg finanziell stabilisiert sein, wenn die Zusatzfinanzierung für Ostdeutschland wie der Solidarpakt ausläuft. Es wäre gut, wenn eine Enquetekommission das jetzt diskutieren soll. Bis Mitte des Jahrzehnts muss etwas passieren.

Wie viele Kreise sollten von 14 bestehenden übrig bleiben?

Ich bin nicht dafür, eine Gesamt-Gebietsreform zu machen und alle Kreise neu zu stricken. Ich sehe Handlungsbedarf in drei Bereichen. Erstens sollten die kreisfreien Städte Cottbus, Frankfurt (Oder) und Brandenburg (Havel) eingekreist werden. Zweitens ist für die Kreise in Südbrandenburg eine Regionallösung rund um Cottbus denkbar, wie es sie in anderen Regionen wie etwa Hannover gibt. Da könnte man etwas Innovatives wie eine Lausitz-Region machen und weg von den klassischen Kreisstrukturen, es gibt interessante Modelle. Und drittens besteht für die Prignitz wegen des krassen Bevölkerungsschwundes Handlungsbedarf, der Kreis könnte in Richtung Ostprignitz-Ruppin vergrößert werden.

Und was ist mit der Uckermark?

Die Uckermark ist größer als das Saarland. Den Kreis noch zu erweitern, dürfte vor dem Landesverfassungsgericht zu Problemen führen, der Kreis wäre noch weniger regierbar, hier würde eine bestimmte Größenordnung überschritten.

Ihre Vorschläge sind sehr zaghaft, die SPD denkt da radikaler

Wir sind erst am Anfang einer Debatte, da sind verschiedene radikale Konzepte nicht schlecht. Es gibt keine Lösung, die für das gesamte Land taugt. Ich halte nichts von einer kompletten Neustrukturierung. Wenn einzelne Kreise unter eine bestimmte Einwohnerzahl rutschen, kann man diese zusammenlegen und muss nicht das ganze Land umkrempeln.

Gespräch: Alexander Fröhlich

Jochen Franzke (57), Verwaltungswissenschaftler an der Universität Potsdam und Mitglied der Enquetekommission im Landtag zum DDR-Umgang.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false