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Brandenburg: Nach 15 Jahren weiß Berlin was es will: Eine Mauergedenkstätte

Unsterbliche Opfer und namenlose Täter: PDS-Kultur-Senator Flierl hat jetzt ein Konzept zum Mauer-Gedenken vorgelegt

Unsterbliche Opfer und namenlose Täter: PDS-Kultur-Senator Flierl hat jetzt ein Konzept zum Mauer-Gedenken vorgelegt Berlin - Touristen sollen künftig nicht mehr nach den Spuren der Berliner Mauer suchen müssen. Berliner, die jahrzehntelang unter der Teilung litten, bekommen für Erinnerung und Trauer um die Opfer einen zentralen Ort. In der Bernauer Straße soll ein größerer, zusammenhängender Abschnitt der DDR-Grenzanlagen gesichert und als Erinnerungslandschaft erlebbar gemacht werde. Das ist der Kern eines Konzepts zum Mauer-Gedenken in der Hauptstadt, das Kultursenator Thomas Flierl (PDS) am Montagabend erstmals der Öffentlichkeit präsentierte. Bis zum 50. Jahrestag des Mauerbaus am 13. August 2011 soll das Papier Wirklichkeit sein. Bei der öffentlichen Anhörung erntete der Politiker Anerkennung - schon allein deshalb, weil mehr als 15 Jahre nach dem Mauerfall überhaupt erstmals ein Entwurf vorgelegt wurde, wie mit den schwindenden Spuren der Berliner Teilung umgegangen werden soll. Auch zur Aufwertung der Bernauer Straße, wo es bereits Gedenkstätte und Dokumentationszentrum gibt, kam überwiegend Zustimmung. Dass aber gerade die dortige nationale Gedenkstätte Berliner Mauer bislang nicht gerade von Besuchermassen überschwemmt wurde und wiederholt beklagt wurde, dass sie zu abseits liegt, spielte nicht die Rolle. Flierl sprach von „Defiziten der Erinnerungspolitik“ in der Vergangenheit. Der rot-rote Senat stelle sich aber der historischen Verantwortung und Auseinandersetzung mit dem Erbe der Teilung. Doch daran zweifelt vor allem die Hauptstadt-CDU. Landeschef Joachim Zeller warf Flierl eine lästige Pflichtübung vor, die zudem noch unzureichend sei. Das angemessene Erinnern an die Opfer komme nicht zum Ausdruck, monierte Zeller am Dienstag in „Radio EINS“. Historiker kritisierten das knapp 30-seitige Papier bei der Anhörung in einem Punkt. „Das Papier ist sehr SED-frei geraten“, sagte Professor Klaus-Dietmar Henke aus Dresden. Und Professor Manfred Wilke vom Forschungsverbund SED-Staat an der Freien Universität Berlin meinte: „Dem Konzept fehlen die Schlüsselbegriffe demokratischer Erinnerungskultur: Freiheit, Demokratie und Diktatur.“ Täter und SED-Strukturen seien ausgeblendet, hieß es. Die umstrittene private Mauer-Installation von Alexandra Hildebrandt am früheren Alliierten-Übergang Checkpoint Charlie an der Friedrichstraße mit einem Mauer-Teilstück und 1065 Holzkreuzen soll laut Flierls Entwurf nicht dauerhaft sein. Am Checkpoint, wo auch das Mauermuseum von Hildebrandt massenhaft Besucher anzieht, sei vielmehr der richtige Ort für ein Museum des kalten Krieges. Hier solle nicht der Mauertoten gedacht, sondern an die Konfrontation der Weltmächte erinnert werden. „Frau Hildebrandt darf nicht die Deutungsmacht über die Mauer haben. Sie hat die richtigen Fragen gestellt, aber nicht die richtigen Antworten gegeben“, sagte Flierl. Es dürfte also weiter Streit um die Mauer-Erinnerung am Checkpoint geben. Viele Touristen kümmert es wenig, dass die Installation historisch nicht stimmt. Sie suchen Mauer zum Anfassen und finden sie am Checkpoint Charlie. Zwar wurde Hildebrandt per Gericht verpflichtet, ihr Freiheitsdenkmal zu räumen. Doch alle wissen, Bilder mit abgesägten Opferkreuzen wären verheerend für Berlin. Dagegen ist die Gedenkstätte Bernauer Straße für Touristen offenbar weniger attraktiv. Um die Erinnerungsstätte hatte es schon vor der Eröffnung Streit wegen der Gestaltung mit Stahlwänden gegeben, die einen Mauerrest begrenzen. Und doch ist hier noch der Todesstreifen zu erkennen – der Schnitt durch die Stadt. In der Bernauer Straße verlief die Mauer genau an der östlichen Häuserfront der Straße. Diese klaffende Wunde soll nun sichtbarer werden. Doch es ist offenbar schon fünf vor zwölf: Auf einem Mauergrundstück ist ein Supermarkt geplant, auf einem anderen direkt neben der Gedenkstätte steht schon ein Bauschild. „Wir brauchen ein Sofortsicherungsprogramm“, forderte der Ratsvorsitzende der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Markus Meckel. Doch ob der Bund Grundstücke tauschen und Geld für das Gedenk-Konzept gibt, ist noch unklar.

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