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Am Freitag wurde in Potsdam der neue Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg vorgestellt. Die größte Gefahr für Brandenburgs demokratische Grundordnung geht weiterhin vom Rechtsextremismus aus.

© Patrick Pleul/lbn

Brandenburg: Nazistrampler für Babys und passende Musik dazu

Rechtsextremisten vertreiben Kinderkleidung im Netz. Verfassungsschutz sieht sektenartige Struktur

Von Frank Jansen

Potsdam - Es war bislang unüblich, dass sich der Verfassungsschutz mit Babystramplern befasst, doch nun muss es sein. Neonazis haben im Internet einen Versandhandel aufgezogen, der „stolz“ ist, „NS-beeinflusste Kinderkleidung anbieten zu können“. Gezeigt wird unter anderem ein Säugling, der einen „Baby-Schlafstrampler mit Skrewdriver-Logo“ trägt. Skrewdriver war eine englische Neonazi-Band, ihr Sänger hat die international agierende, tiefbraune Skinhead-Vereinigung „Blood & Honour“ gegründet. Die deutsche Sektion ist verboten, dennoch vertreiben nun mutmaßliche Sympathisanten auch hier Kinderkleidung, darunter Mini-T-Shirts mit Keltenkreuz oder der Aufschrift „White Pride“ (Weißer Stolz).

„Kinder im Visier brandenburgischer Rechtsextremisten“ ist eines der erschreckenden Kapitel im Jahresbericht 2010 des Verfassungsschutzes, den am Freitag Innenminister Dietmar Woidke (SPD) in Potsdam vorgestellt hat. „Der Rechtsextremismus bleibt die größte Herausforderung für unser Land“, sagte er und präsentierte mit Verfassungsschutzchefin Winfriede Schreiber aktuelle Erkenntnisse.

Das rechtsextreme Spektrum hat sich mit etwa 1170 Personen (2009: 1230) im Kern weiter verfestigt. Der leichte Rückgang ist auf den Zusammenbruch der DVU zurückzuführen, die von der NPD geschluckt wurde. Allerdings wechselten nur zwei von 25 kommunalen Mandatsträgern der DVU sowie knapp 40 Mitglieder zur NPD. Sie wuchs auf 370 Mitglieder. Vor allem über die Jugendorganisation „Junge Nationaldemokraten“, dem „Scharnier“ zur Neonazi-Szene, gerate die NPD „immer tiefer in den Strudel der Nazifizierung“, sagte Woidke.

Sorgen bereiten auch jene Neonazis, die vor allem im Süden Brandenburgs nahezu sektenartig agieren – jenseits der NPD, die schon als Teil des verhassten „Systems“ abgelehnt wird. Schreiber sprach von einer „erheblichen Ausdehnung der Propaganda-Aktivitäten“ und nannte unter anderem die Gruppierung „Spreelichter“, die eine „Volkstod-Kampagne“ initiiert hat. Die Neonazis irrlichtern mit Sensenmänner-Kostümen und bleich geschminkten Gesichtern herum, außerdem wird im Internet agitiert.

Das Milieu der Neonazis ist auf 380 (plus 60) Personen gewachsen. Die Zunahme entspricht zum Teil dem Rückgang bei Skinheads und anderen unorganisierten Rechtsextremen (450, minus 30). Außerdem sind 22 Hassbands aktiv, nur eine weniger als 2009. Doch es gelang der Musikszene lediglich, vier Konzerte zu veranstalten (2009: sieben).

Hassmusik von links ist ein weiterer Schwerpunkt im Bericht des Verfassungsschutzes. Der Minister sprach von fünf brandenburgischen Bands „mit Bezügen zum Linksextremismus“ und nannte exemplarisch die Gruppe „DieVisitor“. In deren Song „Copkiller“ wird dem „scheiß Bullenpack“ gedroht, „dein Blut fließt über den Asphalt, deine Kollegen mache ich schon noch kalt“. Vor dem Amtsgericht Neuruppin müssen sich derzeit die Musiker der Band „Krachakne“ wegen eines ähnlich polizistenfeindlichen Liedes verantworten.

Die linksextreme Szene taxiert der Verfassungsschutz auf 615 (plus 15) Personen, darunter 300 Autonome. Nach Informationen dieser Zeitung hat die Polizei in einer vorläufigen Statistik im Januar und Februar 29 linke Straftaten mit vier Gewaltdelikten registriert sowie 127 rechte Taten mit fünf Gewaltdelikten.

Das Milieu ausländischer Extremisten schrumpfte um 45 Personen auf 295, darunter 60 (plus 10) Islamisten. Im Bericht wird die „Islamische Gemeinschaft am Park Sanssouci“ genannt, die sich extern freundlich gibt, aber intern judenfeindliche Ressentiments propagiert.

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