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Brandenburg: Pflüger für Abschiebung des Verurteilten

Freisprüche für ältere Brüder von Hatun Sürücü lösen Debatte über juristische Grenzen aus

Berlin - Das Urteil im Prozess um den so genannten Ehrenmord an der Deutsch-Türkin Hatun Sürücü hat eine bundesweite Debatte über juristische Grenzen und härtere Strafen ausgelöst. Der Grünen-Europaabgeordnete Cem Özdemir zweifelte mit Blick auf den Freispruch für zwei der drei Angeklagten das Urteil an. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) legte Teilen der Familie die Ausreise in die Türkei nahe. Der CDU-Spitzenkandidat zur Abgeordnetenhauswahl, Friedbert Pflüger, drängte auf eine Abschiebung des Todesschützen nach Verbüßung seiner Haftstrafe. Die Berliner CDU-Fraktion und der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, forderten eine Verschärfung des Strafrechts.

In dem Prozess vor dem Berliner Landgericht waren zwei Brüder der Getöteten aus Mangel an Beweisen vom Vorwurf des gemeinschaftlichen Mordes freigesprochen worden. Gegen den jüngsten, heute 20-jährigen Angeklagten, wurde wegen Mordes eine Jugendstrafe von neun Jahren und drei Monaten verhängt. Er hatte die 23-jährige Mutter eines fünfjährigen Sohnes am 7. Februar 2005 in Tempelhof durch drei Schüsse getötet, weil er nach Überzeugung des Gerichts deren westlichen Lebensstil als „Kränkung der Familienehre“ empfand.

Özdemir sagte, er sei skeptisch, ob das Urteil der Tat und dem Tathergang gerecht werde. Wenn man vergleichbare Fälle aus kurdischen Familien in der Türkei kenne, wisse man, dass solche „Todesurteile“ gewöhnlich durch den Familienrat gefällt würden.

Körting zufolge kann in einem Rechtsstaat nur der verurteilt werden, dessen Schuld hundertprozentig feststeht. Für ihn ist ein Großteil der Familie Sürücü offenbar „nicht in Deutschland angekommen“. Körting fügte hinzu: „Wenn sie unsere Werte so erkennbar ablehnen, kann man sie nur fragen, warum bleibt ihr überhaupt hier?“.

Pflüger forderte die Abschiebung des Verurteilten. Angesichts der Schwere der Tat müsse er nach seiner Haft in die Heimat zurückkehren. Zudem wäre es richtig, wenn die Familie Sürücü Deutschland verlasse, sagte Pflüger. Wer sich so weit von den freiheitlichen Werten Deutschlands entfernt habe, wolle sich ganz offensichtlich nicht integrieren. Berlins CDU-Fraktionschef Nicolas Zimmer und der Rechtsexperte Andreas Gram forderten, das Alter für die Anwendung des Erwachsenenstrafrechts von 21 auf 18 Jahre herabzusetzen.

Auch GdP-Chef Freiberg verlangte härtere Sanktionen für jugendliche Gewalttäter. Um eventuelle Absprachen in Verfahren mit mehreren Angeklagten möglichst zu erschweren, sollte die Höchststrafe nach dem Jugendstrafrecht von bislang 10 auf 15 Jahre erhöht werden. Dies diene möglicherweise der Abschreckung. Dagegen lehnte der Berliner Linkspartei.PDS-Migrationsexperte Giyasettin Sayan „aktionistische Forderungen“ nach einer Verschärfung des Strafrechts ab. Statt gegen Symptome anzugehen, müssten Ursachen bekämpft werden. Der Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu sagte, um die Betroffenen wirklich zu erreichen, müssten vor allem die Migranten-Communities selbst aktiv werden.

Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet (CDU) beklagte, dass immer noch „deutsche Gerichte strafmildernd bei kulturbedingten Straftaten entscheiden“. Zugleich zeige der aktuelle Fall einen „Wendepunkt in der Integration“. Heute werde über die Ahndung von Taten wie Ehrenmorden geredet. Früher sei das Thema eher tabuisiert worden.

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