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Brandenburg: Platzeck braucht Schönbohm. Noch.

Thorsten Metzner

Thorsten Metzner Diese Rolle ist für Jörg Schönbohm ungewohnt – erst Recht in Wahlkampfzeiten: Nach seinen Proletarisierungs-Entgleisungen trägt Brandenburgs CDU-Landeschef und Innenminister statt des üblichen „Kampfanzugs“ nun das so gar nicht zu ihm passende Büßergewand. Aber trotz seiner landauf und landab wiederholten Entschuldigung: Die Empörung bei den Brandenburgern über den von ihm geäußerten Verdacht eines aus der SED-Diktatur rührenden kollektiven Spätschadens sitzt sehr tief. Und sie wird sich wohl auch am Dienstag beim gemeinsamen Wahlkampfauftakt mit Angela Merkel in Cottbus entladen. Die Frage drängt sich auf: Warum hält SPD-Regierungschef Matthias Platzeck an seinem Vize fest? Zunächst: Es mag zutreffen, dass eine Entlassung Schönbohms vom Wahlvolk begrüßt würde. Trotzdem wäre es allenfalls ein kurzfristiger Punktsieg, der zudem allein auf  Emotionen gründen würde. Rational betrachtet, ist Schönbohm bislang eine Stütze seiner Regierung, ein guter Innenminister zumal. Er ist es, der bislang in den Reihen des Koalitionspartners die nötige Stabilität und damit die  Regierungsfähigkeit garantiert. Zwar ist Schönbohms Autorität jetzt auch in der Union rasant gesunken. Und zwar stärker als es den Anschein hat – wegen des Wahlkampfes wird Geschlossenheit demonstriert. Paradoxerweise kommt Schönbohm aber auch zu gute, dass sein Landesverband eben sehr ostdeutsch geprägt ist: Kein „Königsmörder“, keine organisierten Seilschaften stehen bereit, um die Gunst der Stunde für den Generations- und Führungswechsel zu nutzen. Klar ist eins: Wenn Platzeck Schönbohm jetzt entließe, würde es das Ende der Koalition bedeuten, woran der Regierungschef keinerlei Interesse haben kann. Denn zu dem SPD/CDU-Regierungsbündnis gibt es – erst Recht durch den Vormarsch der Linkspartei – derzeit keine Alternative. Hinzu kommt, dass er mit einem geschwächten Schönbohm sogar besser regieren kann. Trotzdem bleibt es eine Gratwanderung. Stellt sich Platzeck zu stark hinter Schönbohm und entfernt sich damit von der Stimmung der Bevölkerung, könnte das seinem Ansehen und der SPD schaden. Deshalb wird es durchaus eine heikle Operation, seine Schönbohm-kritischen Genossen dazu ztu bewegen, den Abwahlantrag der PDS im Landtag Ende August auch ins Leere laufen lassen. Doch selbst dann wird Jörg Schönbohm nicht über dem Berg sein. Im Gegenteil: Niemand kann derzeit die Eruptionen in der Union vorhersagen, wenn die Partei auch wegen seiner Entgleisung am 18. September erneut die nächste schwere Niederlage nach der Landtagswahl einfahren wird. Trotzdem käme selbst dann ein  Abtritt Schönbohms für Platzeck ungelegen: Weil es seine Regierung schwächen würde, die CDU ohne Schönbohm unberechenbarer wird.  Weil Jörg Schönbohm immer noch der einzige Brandenburger Christdemokrat ist, dessen Wort Gewicht auch in der Bundes-CDU hat, die demnächst womöglich die Kanzlerin stellt. Man kann es sogar grundsätzlicher sehen:  Für den „zweiten Aufbruch“ Brandenburgs zu einem normalen westlichen Bundesland ist Schönbohm im Grunde – noch – unverzichtbar. Es ist tragisch, dass Schönbohm seine Mission, ja sein Brandenburger Lebenswerk so gefährdet hat.

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