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Unter Druck in Sachen Stobrawa: Regierungschef Platzeck und Linke-Fraktionchefin Kerstin Kaiser.

© Archiv/ddp

Stasi-Fall Stobrawa: Platzeck empfiehlt Mandatsverzicht

UPDATE. Die Linksfraktion im Brandenburger Landtag steht trotz massiver Forderungen nach Mandatsaufgabe wegen Stasi-Vorwürfen zu ihrer Abgeordneten Gerlinde Stobrawa. Dies wird zur Belastung für Rot-Rot. SPD, CDU, FDP und Grüne fordern Rückzug.

Potsdam – Brandenburgs Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) hat im Fall der wegen ihrer Tätigkeit für den DDR-Geheimdienst MfS belasteten Linke-Landtagsabgeordneten Gerlinde Stobrawa den Druck auf den Koalitionspartner erhöht: Gegenüber den PNN legte er Stobrawa am Dienstag die Niederlegung ihres Mandats nahe. Platzeck schloss sich auf Anfrage ausdrücklich einer entsprechenden Position des Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion, Ralf Holzschuher, an. Dieser hatte nach der Fraktionssitzung vor Journalisten im Landtag erklärt, dass er die „in sich schlüssigen“ Feststellungen der vom Landtag einstimmig eingesetzten Überprüfungskommission unter Vorsitz der Aufarbeitungsbeauftragten Ulrike Poppe auch in diesem Fall „nachvollziehen“ könne, und: „Frau Stobrawa tut sich selbst nicht den geringsten Gefallen, wenn sie ihr Mandat behält.“ Platzeck erklärte gegenüber den PNN: „Als SPD-Landesvorsitzender teile ich die Haltung der SPD-Fraktion und schließe mich den von ihrem Vorsitzenden vorgetragenen Wertungen an.“

Im Gegensatz zum Koalitionspartner stellt sich die SPD damit hinter den Abschlussbericht der Poppe-Kommission, wonach die frühere Vizepräsidentin und langjährige Abgeordnete des Landtages Stobrawa 1988/1989 kurz vor dem Zusammenbruch der DDR entgegen ihren eigenen Darstellungen seit 1991 doch als inoffizielle Stasi-Mitarbeiterin „Marisa“ für den DDR-Geheimdienst tätig war, ihren Stellvertreter bei der Stasi denunzierte und die bisherige Version einer rein dienstlichen Kooperation „unglaubhaft“ sei. CDU, FDP und Grüne drängten deshalb auf ihren Mandatsverzicht.

Zwar schränkte Holzschuher ein, dass ein Verbleib Stobrawas im Parlament wegen ihrer nicht herausgehobenen Position auch zu keiner Belastung der Koalition führen würde. Trotzdem könnte das letzte rot-rote Bündnis in Deutschland dann auf eine ernsthafte Krise zusteuern. Nach PNN-Informationen fordern SPD-Minister und auch Vertreter der Basis parteiintern vehement den Rückzug Stobrawas, wächst in der SPD täglich der Druck, dies beim Koalitionspartner durchzusetzen. Sollte Stobrawa dies nicht selbst tun, so müsse die Links-Fraktion sie ausschließen, hieß es aus SPD-Regierungskreisen. Sonst beschädige die Linke auch die Glaubwürdigkeit der SPD, sagte ein Kabinettsmitglied. Ein anderes führendes SPD-Mitglied sagte, es sei der SPD, die im Osten von Bürgerrechtlern gegründet wurde, nicht zuzumuten, mit einer Fraktion eine Koalition zu bilden, die eine von dem vom Landtag legitimierten Gremium ausdrücklich als Stasi-IM und nicht glaubhaft eingestufte Abgeordnete in ihren Reihen behält und sich noch dazu ausdrücklich hinter sie stellt: „Die Linke muss begreifen, dass sie mit diesem Kurs ihren Koalitionspartner und damit auch den Regierungschef schädigt.“

Doch die Linke-Fraktion stellte sich am Dienstag erneut ausdrücklich hinter die inzwischen erkrankte Stobrawa, die sich gegen die Bewertung durch die Expertenkommission wehrt, die alle 88 Landtagsabgeordneten auf eine frühere Tätigkeit für die Stasi überprüft hatte. Fünf Linke sind danach belastet. Die Linken sehen laut Vize-Fraktionschef Stefan Ludwig in keinem Fall Anlass für eine Neubewertung, es gebe keine neuen Fakten. Dieser Umgang mit den Befunden der Kommission, die zudem von Linke-Politikern angegriffen wurde, löst weiteren Streit aus. Gegenüber den PNN wies deren Chefin, Brandenburgs Aufarbeitungsbeauftragte Ulrike Poppe, Vorwürfe der Links-Fraktion und belasteter Linke-Politiker, nämlich der ebenfalls in dem Bericht erwähnten Fraktionschefin Kerstin Kaiser und von Stobrawa, an Arbeitsweise und Feststellungen der Überprüfung zurück. Kaisers Kritik der Einseitigkeit sei „nicht nachvollziehbar“, sagte sie. Unverständnis äußerte Poppe auch zum von Stobrawa selbst, aber auch von den Linken erhobenen Vorwurf, die Kommission habe in ihrem Fall Entlastungszeugen nicht gehört. „Wir können Frau Stobrawa vom IM-Vorwurf nicht entlasten. Sie gehört in diese Kategorie, sie hat sich den Decknamen selbst gewählt.“ Eine „gravierende IM-Tätigkeit“ lasse sich im Fall Stobrawa nicht bestreiten. CDU-Fraktionschefin Saskia Ludwig sagte, die CDU fordere grundsätzlich „ein Stasi-freies Parlament“.

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