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Von Sabine Beikler: Polizeipräsident fürchtet Schaden

LKA rekonstruiert erneut den tödlichen Einsatz in Schönfließ – und die Politik fordert Aufklärung

Von Sabine Beikler

Berlin - Die Berliner Polizei gerät nach dem offenbar gezielten Todeschuss von Schönfließ unter Druck. Politiker fordern eine rückhaltlose Aufklärung der dramatischen Ereignisse in Schönfließ im Landkreis Oberhavel, bei denen am Silvesterabend ein 26-jähriger mutmaßlicher Autodieb von einem Berliner Zivilpolizisten erschossen wurde. Polizeipräsident Dieter Glietsch sagte dieser Zeitung: „Die Aufklärung des Geschehens kann nur im Rahmen des laufenden Strafermittlungsverfahrens erfolgen. Dieses Verfahren hat absoluten Vorrang.“ Jeder Schusswaffengebrauch mit schwerwiegenden Folgen werde „einsatztaktisch“ nachbereitet. „Dies kann – ebenso wie die dienstrechtliche Würdigung – nur auf der Grundlage der Erkenntnisse des Strafverfahrens nach dessen Abschluss erfolgen“, so Glietsch weiter.

Die Staatsanwaltschaft in Neuruppin hat, wie berichtet, die Zeugenaussagen von zwei weiteren Zivilpolizisten, die bei dem Einsatz am Silvesterabend dabei waren, als wenig hilfreich bewertet. Die Zeugen hätten „entweder nichts gesehen oder gehört haben wollen“, sagte Oberstaatsanwältin Lolita Lodenkämper. Glietsch nahm diese Information „mit Bedauern“ zur Kenntnis und kritisierte indirekt die Beamten. „Es liegt im Interesse der Berliner Polizei, alles zu vermeiden, was geeignet sein könnte, einen Eindruck hervorzurufen“, dass die Beamten nicht zur Aufklärung beitragen würden, sagte Glietsch. „Allein diese Tatsache schadet dem Ansehen der Polizei“, ergänzte er im RBB-Hörfunk. Er habe die Vorgesetzten gebeten, dies „in Gesprächen mit den Beamten zu verdeutlichen und sie auf ihre Zeugenpflichten hinzuweisen“. Er gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft „gute Gründe für ihre Bewertung“ habe. Es wäre „aber leichtfertig, den Beamten auf der Grundlage der mir vorliegenden Erkenntnisse Korpsgeist zu unterstellen“. Laut Glietsch gibt es „zurzeit keinen Anlass“ für dienstrechtliche Konsequenzen. Der Todesschütze wurde vom Dienst suspendiert. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts des Totschlags. Ein Haftbefehl wurde ausgesetzt.

Am Mittwoch war das Geschehen am Tatort in Schönfließ erneut rekonstruiert worden. Spezialisten des Landeskriminalamtes waren mehrere Stunden vor Ort und stellten den Tathergang mit dem Auto der Polizisten und einem bei dem Schusswechsel ebenfalls beschädigten BMW nach. Dabei wurde auch eine Spezialkamera eingesetzt, mit der dreidimensionale Darstellungen möglich sind. Von der zuständigen Staatsanwaltschaft in Neuruppin war keine Stellungnahme zur neuerlichen Untersuchung zu erhalten. Bereits vor einer Woche war das Geschehen nachgestellt worden.

Auch wenn alle Landespolitiker dem Polizeipräsidenten Dieter Glietsch wegen seines Aufklärungswillens und seines transparenten Kurses viel Lob zollen, erwarten sie von ihm eine „klare Kommunikations- und Informationspolitik“, wie CDU-Fraktions- und Landeschef Frank Henkel sagte. „Selbst bei laufenden Ermittlungen dürfen Innensenator und Polizeipräsident nicht abtauchen. Sie sollten offensiver mit der Situation umgehen“, sagte Henkel. Er erwarte von Glietsch eine „klare Darstellung“ der Ereignisse in Schönfließ im Innenausschuss.

Henkel warnte vor Vorverurteilungen. „Es gilt die Unschuldsvermutung“, betonte auch SPD-Rechtspolitiker Fritz Felgentreu. Sollte sich aber herausstellen, dass ein Polizist strafbar gehandelt habe, dann sei das sehr rufschädigend für die Polizei. Der aktuelle Vorgang berge die Gefahr, dass „das Ansehen der Polizei leiden kann“. Die Ermittlungen sollten jetzt „unaufgeregt“ weitergeführt werden.

Die stellvertretende Fraktionschefin der Linken, Marion Seelig, erwartet, dass der Hergang „mit voller Energie“ geprüft wird. Seelig und FDP-Innenpolitiker Björn Jotzo wollen die dramatischen Ereignisse in Schönfließ in der nächsten Sitzung des Innenausschusses ansprechen.

Ob ein möglicher Korpsgeist bei der Polizei die Aufklärung behindern könnte, können sich die Politiker nicht vorstellen. Glietsch würde so etwas nicht tolerieren, sind sich alle einig. Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann sagte, dass sich unter der Führung von Glietsch vieles geändert habe. Niemand dürfe ungeschoren davonkommen, der Straftaten decke.

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