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Brandenburg: Schneller auf den Keim gehen

29 Prozent der kontrollierten Lebensmittelbetriebe mit Hygienemängeln. Heftige Klagen der Kontrolleure

Berlin/Potsdam - Die Lebensmittelkontrolleure Berlins und Brandenburgs sollen künftig nicht mehr wochen- oder sogar monatelang auf die Ergebnisse von Proben warten, die sie ans Landeslabor zur Untersuchung geschickt haben. Die Landesregierungen wollen die Finanzierung des für beide Länder zuständigen Labors „besser sichern“, mehr Personal einstellen und die Arbeiten zentralisieren. Ab 2014 sollen die fünf Standorte in Berlin und Frankfurt (Oder) konzentriert werden. Dafür sind Neubauten geplant. Das teilte Berlins Verbraucherschutz-Senator Thomas Heilmann (CDU) mit. Er reagierte damit auf die heftigen Klagen vonseiten der Kontrolleure.

Wie berichtet hatte kürzlich auch der Vorsitzende des Verbandes der Tierärzte im Öffentlichen Dienst Brandenburg, Knut Große, in einem offenen Brief an Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) Missstände im gemeinsamen Landeslabor der Länder Berlin und Brandenburg angeprangert.

Trotz der Fortschritte im Labor wird die Lebensmittelüberwachung aber vor allem in Berlin weiter eine gravierende Schwachstelle haben: Die erforderlichen Routinekontrollen- und Probeentnahmen in Lebensmittelbetrieben können wegen des Personalmangels in den Bezirken nur zu 52 Prozent durchgeführt werden. In Brandenburg sind die zuständigen Behörden personell angeblich besser besetzt.

Der Bezirk Berlin-Mitte hat beispielsweise elf Außenkontrolleure, aber drei sind derzeit krank oder im Mutterschutz. Bis zu 30 Prüfer wären nötig. In Friedrichshain-Kreuzberg sieht es noch schlechter aus. Angesichts der knappen Kassen der Bezirke wird sich daran nach Einschätzung von Verbraucherschutzexperten in absehbarer Zeit nichts ändern.

Dennoch beurteilt Senator Heilmann die Zukunft der Lebensmittelüberwachung recht zuversichtlich. Die Lücke bei den Kontrollen wirke sich heute nicht mehr so nachteilig aus wie in früheren Jahren, sagt er und begründet dies mit einem Lob für die Lebensmittelbetriebe. Bei den meisten Firmen habe sich vieles positiv bewegt. Deren Eigenkontrollen und das Qualitätsmanagement seien „deutlich professioneller und besser geworden“. Das bestätigen die Gesundheitsämter der Bezirke. „Hygienevorschriften oder vorgeschriebene Inhaltsangaben werden strikter befolgt“, sagt Lebensmittelkontrolleur Ludger van der Ahe aus Mitte. Das gelte für alle Bereiche – vom Bistro, Restaurant und Supermarkt bis zu Bäckereien oder Dönerproduzenten. Der Druck durch kritische Verbraucher zeige Wirkung.

Statistisch lässt sich diese Entwicklung allerdings noch kaum belegen, weil eine längerfristige Vergleichsgrundlage fehlt. Denn vor einigen Jahren haben die Kontrolleure ihre Strategie geänderten. Sie arbeiten effektiver, indem sie gezielt Firmen überprüfen, die schon als schwarze Schafe bekannt sind oder besonders risikoträchtig erscheinen. 2012 wurden von den insgesamt rund 53 000 Berliner Lebensmittelbetrieben 23 423 kontrolliert. Dabei stellte man bei 6713 Firmen Verstöße fest – eine Quote von 29 Prozent. In den Vorjahren war diese kaum höher.

Die Kritik an den verzögerten Untersuchungen im Landeslabor und an fehlenden Betriebskontrollen betrifft laut Senator Heilmann nur die routinemäßigen Überprüfungen, die mehr als 80 Prozent aller Kontrollen ausmachen. Bei Gefahr im Verzug, wie bei den brechreizauslösenden Noroviren, hätten die Kontrollen und Probenanalysen „absolute Priorität.“

Damit das Landeslabor aber künftig auch Routineproben rascher bearbeitet, erhält es bis zum Jahresende 27 zusätzliche Mitarbeiter. Insgesamt arbeiten dort 490 Menschen. Diese sind außer für Lebensmittelproben auch für Umwelt-, Agrar- und Veterinärmedizinische Untersuchungen zuständig sowie für den Infektionsschutz in der Humanmedizin. Der Jahresetat beträgt mehr als 37 Millionen Euro. Davon zahlt Berlin 17 Millionen und Brandenburg rund 20 Millionen, weil es als Agrarland mehr veterinärmedizinische Leistungen in Anspruch nimmt. Die zusätzlichen Personalstellen sollen aber nun vor allem über Mehreinnahmen für erbrachte Leistungen finanziert werden. Konkret gilt seit Jahresbeginn erstmals ein Preiskatalog. So müssen Tierseuchentest, die gratis waren, nun bezahlt werden. Dagegen protestierten schon Bauernsprecher. Inzwischen wird auch erwogen, sogar die Routinekontrollen in Lebensmittelbetrieben in Rechnung zu stellen – egal ob sie positiv oder negativ ausfallen. Auch hier ist Ärger zu erwarten.

Die künftige Leiterin des Landeslabors Ilka Strobel – sie tritt am Donnerstag die Nachfolge von Direktor Roland Körber an – muss sich darüber hinaus mit Umzügen und Neubauten beschäftigen. So sollen in den nächsten Jahren die Standorte des Labors in Potsdam, Oranienburg und Kleinmachnow zugunsten einer Zentrale in Frankfurt (Oder) aufgegeben werden.

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