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Plakative Aktion. Eine Solaranlage auf einem Pfarrhaus sollte ein Symbol gegen das drohende Abbaggern des Dorfes Atterwasch sein. Jetzt musste sie vom Dach verschwinden.

© Patrick Pleul/dpa

Brandenburg: Sonniger Protest

Eine Solaranlage auf einem Pfarrhaus sollte ein Symbol gegen das drohende Abbaggern eines brandenburgischen Dorfes für die Braunkohle sein. Jetzt musste sie vom Dach verschwinden. Warum?

Atterwasch - Das Ganze hört sich wie eine Provinzposse an: Gemeindemitglieder einer Dorfkirche beschließen vor Jahren, ein Zeichen gegen das drohende Abbaggern ihres Ortes für die Braunkohle zu setzen und montieren ohne Genehmigung eine Solaranlage auf dem Pfarrhausdach. Das ist dem zuständigen Landkreis ein Dorn im Auge, weil das Erscheinungsbild des denkmalgeschützten Kirchenensembles dadurch gestört sei. Die Behörde fordert: Die Solaranlage muss weg! Kurz vor Auslaufen der Abbau-Frist ging das zähe Hick-Hack nun zu Ende.

Ein kleiner Dachaufzug fährt am Dienstagmorgen nach oben. Bewohner von Atterwasch (Spree-Neiße) und Kirchenmitglieder bauen die ersten Teile der Solaranlage vom Dach ab. Die Männer reden nicht viel. In ihren Gesichtern kann man aber die Enttäuschung sehen. „Wir fühlen uns moralisch im Recht“, sagt der Vorsitzende des evangelischen Gemeindekirchenrats der Region Guben, Martin Pehle. „Es ging uns darum, die Politik vorzuführen.“

Im Hintergrund kräht ein Hahn. Das kleine Dorf mit mehr als 200 Einwohnern in der Grenzregion zu Polen wirkt noch etwas verschlafen, aber spricht man die Bewohner auf den Streit mit dem Landkreis an, fallen klare Worte wie „der größte Schwachsinn“, „widersinnig“, „verbohrt und engstirnig“. Ein Mann, der hier seit Jahrzehnten lebt, sagt: „Man hätte diesen Bescheid aussetzen können. Der Ermessungsspielraum wurde von der Behörde außer Acht gelassen.“ Hier im Dorf schüttele jeder mit dem Kopf.

Das Landratsamt des Landkreises Spree-Neiße betonte bis zuletzt, dass er zu seiner Entscheidung und Anordnung, dass die Photovoltaikanlage verschwinden muss, stehe. Vor vier Jahren hatte die Behörde den Erlaubnis-Antrag abgelehnt mit dem Grund, dass das Erscheinungsbild des denkmalgeschützten Ensembles gestört werden würde.

Pehle bringt das auf die Palme. „Gegen das Abbaggern sagt vom Landkreis niemand was und dann ist das ganze Denkmal verschwunden“, sagt der 43-Jährige. Dass es Ärger geben würde, als die Solaranlage ohne Genehmigung im Herbst 2013 auf das Dach kam, sei ihm klar gewesen. Aber mit so starkem Widerstand von Behördenseite habe er nicht gerechnet, ergänzt der Tierarzt. Die Kirchengemeinde gewann im vergangenen Jahr sogar noch einen Umweltpreis für ihr Solarprojekt.

Dass sich das Dorf in Südbrandenburg gegen das drohende Abbaggern für die Braunkohle stemmt, ist offensichtlich. An einigen Stellen sind Plakate und Schilder mit Aufschriften wie „Wir sind kein Abraum“ zu sehen. Die Einwohner und die von zwei Nachbardörfern müssten in einigen Jahren umsiedeln, wenn die Landesregierung den neuen Tagebau Jänschwalde-Nord genehmigt. Eine Entscheidung steht dazu noch aus.

In der Lausitz liegt das zweitgrößte Braunkohlerevier Deutschlands mit Braunkohlegruben in Brandenburg und Sachsen. Nur das Revier in Nordrhein-Westfalen ist noch größer.

Für die Kirchengemeinde bleibt ein kleiner Trost. Ganz wird die Solaranlage nicht aus Atterwasch verschwinden. Voraussichtlich am Wochenende soll sie auf Rinderställe in der Nähe der Kirche montiert werden, wie Pehle sagt. Dieses Mal mit Genehmigung. Anna Ringle

Anna Ringle

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