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Tim S. Müller, Leiter des Museums Viadrina, zeigt eine protestantische Abendmahlskanne (Weinkanne), um 1700, Silber und teilweise feuervergoldet.

© dpa / Patrick Pleul

Stadtmuseum Frankfurt (Oder): Der Silberschatz aus der einstigen Neumark

Durch Zerstörung oder Plünderung hat das Frankfurter Stadtmuseum im Zweiten Weltkrieg seine komplette Sammlung verloren. Seit den 1950-er Jahren wird erneut gesammelt. Dabei ist das Museum auf Schenkungen oder Ankauf angewiesen. Jetzt gibt es einen beachtlichen Neuerwerb.

Von Jeanette Bederke, dpa

Zehn Silberobjekte, darunter Pokale, Kelche, eine Abendmahlkanne sowie eine Bürgermeister-Amtskette wechseln den Besitzer. Das Museum „Viadrina“ in Frankfurt (Oder) kauft sie für 190.000 Euro einem privaten Sammler ab, um sie ab April nächsten Jahres im Junkerhaus der Stadt auszustellen. „Das sind wichtige Sachzeugnisse der einstigen Kulturlandschaft an Oder und Neiße“, freut sich Museumsleiter Tim Müller.

Auf den ersten Blick hat die Sammlung nichts mit der fast 770 Jahre alten Stadtgeschichte Frankfurts zu tun: Die Silber-Objekte - das älteste von 1630 und das jüngste von 1754 - stammen größtenteils aus der einstigen Festungsstadt Küstrin (Kostrzyn), die östlich der Oder auf polnischer Seite liegt. Als bedeutende Hansestadt war Frankfurt seit dem Mittelalter aber das Zentrum, ab 1815 auch der Regierungssitz der Neumark, zu der auch Küstrin gehörte. Sie bildete von 1535 bis 1815 neben der Kurmark einen der beiden Landesteile der Mark Brandenburg.

Umfangreiche Gutachten

Bereits im Jahr 2019 hatte ein betagter privater Sammler aus Süddeutschland mit familiären Wurzeln in Brandenburg dem Frankfurter Museum diesen Silberschatz zum Kauf angeboten - für insgesamt 190.000 Euro. Seit dem, so erzählt der Museumsleiter, seien vom Frankfurter Museumsförderverein Spenden gesammelt worden. Zudem wurden Fördermittel beantragt, Fachgutachten zum Wert und zur kulturgeschichtlichen Bedeutung in Auftrag gegeben und überprüft, ob die Objekte möglicherweise jüdisches Eigentum sind. „Inzwischen haben wir die Summe zusammen bekommen, die Frankfurter Stadtverordneten haben dem Ankauf zugestimmt“, freut sich Museumsleiter Müller.

Müller ist bewusst, dass Belege zur Kulturgeschichte beiderseits von Oder und Neiße im „Viadrina“-Museumsfundus Seltenheitswert haben. „Die gesamte Sammlung des Frankfurter Stadtmuseums verschwand 1945 - wurde zerstört oder auch geplündert.“ Die meisten Museen im Osten Brandenburgs hätten damals herbe Verluste in ihrem Bestand hinnehmen müssen, bestätigt Alexander Sachse vom Brandenburger Museumsverband. „Verloren gingen vor allem solche wertvollen Objekte, wie sie jetzt dem Frankfurter Museum zum Kauf angeboten wurden.“

Der Silberschatz des privaten Sammlers wurde laut Museumsdirektor Müller bereits während der Napoleonischen Kriege im 18. und 19. Jahrhundert aus der Neumark gestohlen - beispielsweise die Abendmahlkanne aus der Küstriner Marienkirche oder ein aufwendig verzierter Prunkhumpen. Eine ganz besondere Rarität in der Sammlung ist ein sogenannter Tummler - ein Schnapsgefäß, gefertigt aus einer Silbermünze der russischen Kriegskasse. „Bei der Schlacht um Zorndorf hatte Preußen 1758 die Russen geschlagen“, erklärt der Historiker.

 So eine Chance bietet sich alle 100 Jahre einmal

Tim Müller, Leiter des Museums „Viadrina“ in Frankfurt (Oder).

Laut Sammler sind die Objekte Jahrhunderte später in Frankreich wieder aufgetaucht, wo er sie seit den 1980-er Jahren im Kunsthandel erstand oder ersteigerte. Aus Altersgründen wolle der Mann die Sammlung dorthin abgeben, wo sie auch herstamme, sagt Müller. Er bezeichnet es als Glücksumstand, wenn mit Hilfe wiedergefundener Objekte Lücken in der Historie geschlossen werden könnten. „Das ist unser wichtigster Ankauf seit der Wende. So eine Chance bietet sich alle 100 Jahre einmal.“ Der Preis sei das Eine, die Geschichte dahinter aber letztlich das, was zähle, so Müller. Einen eigenen Etat für den Ankauf geschichtlich wertvoller Zeugnisse hat das Museum nicht, lediglich für Bestandserhalt und Restaurierungen stelle die Stadt Mittel bereit.

Vergoldeter Silberpokal von 1815

„Wichtige Stütze ist deshalb der Förderverein des Museums, der uns seit 31 Jahren Spenden bereitstellt“, sagt der Museumsleiter. Historische Stadtansichten seien auf diesem Wege ins Museum gelangt, ebenso wie Messing-Sargschilder zu einstigen Zunftmeistern von alten, heute nicht mehr existierenden Frankfurter Friedhöfen. Auch ein prunkvoller, innen vergoldeter Silberpokal von 1815 steht nach Ankauf im Museum. Der damaligen Frankfurter Oberbürgermeister Carl Heinrich Endell hatte ihn einst geschenkt bekommen, als er aus dem Amt schied.

Der Erwerb von Sammlungsobjekten ist in den Brandenburger Museen laut Landes-Museumsverband nicht einheitlich geregelt. „Auf der Grundlage eines 2017 erstellten Sammlungskonzeptes, beschlossen von den Stadtverordneten, erwerben wir gezielt Exponate, die Stadt- und Industriegeschichte belegen. Mittel werden uns von der Kommune bereitgestellt“, sagt die Eberswalder Museumsleiterin Birgit Klitzke, die auch immer wieder Schenkungen oder Dauerleihgaben aus Nachlässen für ihre Einrichtung erhält.

Ab April nächsten Jahres soll der Neuerwerb im Frankfurter Museum „Viadrina“ gezeigt werden, nachdem die Einrichtung sicherheitstechnisch aufgerüstet ist. Der Raum, den Müller für die Neumark-Schau ausgesucht hat, bietet über seine Fenster den Blick nach Osten über die Oder. „Im nächsten Sommer soll der Silberschatz auch zeitweilig im polnischen Kostrzyn ausgestellt werden - im Festungsmuseum, das seinen Sitz in der ehemaligen Altstadt von Küstrin hat“, sagt er. Polnische Museen in der Grenzregion würden sich jetzt verstärkt mit der deutschen Vorgeschichte auseinandersetzen, bestätigt Sachse.

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