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Brandenburg: Streit um Kampf gegen Rechts Rechtsextreme noch krimineller

Kritik von Anti-Gewaltbündnis, CDU und Grünen an neuem Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ Höchste Zahl politisch motivierter Delikte seit 2002 – aber weniger Gewalt

Kritik von Anti-Gewaltbündnis, CDU und Grünen an neuem Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ Höchste Zahl politisch motivierter Delikte seit 2002 – aber weniger Gewalt Potsdam - In Brandenburg ist Streit ausgebrochen, wie Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit am wirksamsten bekämpft werden können. Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) päsentierte gestern das erneuerte regierungsamtliche Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“, in dem die Landesregierung Leitlinien, Maßnahmen und Projekte aller Ressorts zur Bewältigung des Phänomens festschreibt. Dabei sollen besonders Schulen einbezogen werden. Doch es hagelt prompt Kritik. Es sei ein „Brandenburg-Schön-Papier“, zu allgemein und zu wenig zielgerichtet, kritisierte der evangelische Superintendent Heinz-Joachim Lohmann, Vorsitzender des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, zu dem sich verschiedene Organisationen und Verbände zusammengeschlossen haben. Damit verfehle das Konzept „seinen Auftrag“. Er habe den Eindruck, dass inzwischen allein das Innenministerium seine Aufgaben bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus ernsthaft wahrnehme. Konkret vermisst Lohmann unter anderem einen detaillierten regionalen „Atlas über Rechtsextremismus“ in Brandenburg, also eine Bestandsaufnahme der Problemregionen und der örtlichen Gegeninitiativen, um tatsächlich wirksame Gegenstrategien entwickeln zu können. Seine Kritik löste im Bildungsministerium Verärgerung aus, aber auch im Aktionsbündnis selbst. Bildungsstaatssekretär Martin Gorholt sagte, das Gremium sei in die Erarbeitung des Konzepts eingebunden gewesen. Ob ein „Brandenburg-Atlas“ tatsächlich hilfreich wäre, sei zudem zu bezweifeln, so Gorholt. Es könne auch dazu führen, Regionen zu stigmatisieren. Er verwies darauf, dass über das Programm – Jahresetat rund 900 000 Euro - auch die sechs landesweit tätigen Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus finanziert werden. „Sie sind diejenigen, die am besten wissen, wo die Probleme besonders groß sind.“ Alfred Roos, Geschäftsführer der Regionalen Anlaufstellen für Ausländerfragen (RAA) sagte, Lohmann spreche nicht im Namen des ganzen Aktionsbündnisses. „Die Vorstellung, dass man in diesem Konzept die Strategien für jede Region entwickelt, ist zentralistisch“, sagte Roos. „Das muss vor Ort passieren.“ Dagegen unterstützte die Union die Kritik. Das seit 1998 laufende Programm „Tolerantes Brandenburg“ habe inzwischen Millionen gekostet, sagte CDU-Generalsekretär und Landtagsabgeordnete Sven Petke. „Es kommt einfach zu wenig heraus.“ Das Programm sehe er als „politisches Auslaufmodell“. Dass die SPD trotz der geringen Wirksamkeit bislang so starr daran festhalte, hänge offenbar mit Milieupflege zusammen. Grünen-Landeschef Joachim Gessinger sagte, in dem Papier seien keine Verbesserungen zum Status quo erkennbar. Das Handlungskonzept habe sich bewährt, betonte dagegen Minister Rupprecht. So sei die Zahl der von den Schulen gemeldeten rechtsextremen Vorfälle von 257 im Schuljahr 2000/2001 auf 80 im vergangenen Schuljahr zurückgegangen. Allerdings habe die Intoleranz an vielen Orten „nur ihr Gesicht und ihre Strategie“ geändert, so Rupprecht. Die Rechten wollten als „Biedermänner verkleidet“ versuchen, die gesellschaftliche Mitte zu unterwandern. Thorsten Metzner mit ddp Potsdam - Die Brandenburger Polizei hat von Januar bis einschließlich August einen deutlichen Anstieg politisch motivierter Straftaten registriert. In den acht Monaten seien 1397 Delikte festgestellt worden, erfuhr diese Zeitung gestern in Sicherheitskreisen. Im selben Vorjahreszeitraum waren es 1197. Die aktuelle Gesamtzahl politisch motivierter Delikte ist die höchste im Zeitraum der Monate Januar bis August seit 2002. Der Anstieg in diesem Jahr geht vor allem auf das Konto von Rechtsextremisten. Sie verübten in den ersten acht Monaten dieses Jahres 893 Straftaten. Das sind 194 mehr als von Januar bis August 2004. Den Zuwachs machen hauptsächlich so genannte Propagandadelikte aus, insbesondere die öffentliche Verwendung von Nazi-Symbolen. Die Brandenburger Polizei meldete von Januar bis August 653 rechte Propagandadelikte, das sind 190 mehr als im Vorjahreszeitraum. Hinzu kamen 176 (161) sonstige rechte Straftaten. Auffällig ist bei der Zunahme der Propagandadelikte die hohe Zahl von Taten, bei denen die Textilmarke Thor Steinar eine Rolle spielt. Im vergangenen Jahr erklärte die Justiz das öffentliche Zeigen des Firmenlogos, zwei einst vom NS-Regime genutzte Runen, für strafbar. So fielen in diesem Jahr bereits 257 so genannte Thor-Steinar-Verfahren an. Die Firma hat inzwischen ihr Emblem geändert. Vor allem rechte Käufer der Thor-Steinar-Kleidung posieren aber weiterhin mit Textilien, an denen das alte Logo zu sehen ist. Die Zahl der rechten Gewalttaten ging von Januar bis August auf 64 (75) zurück. Bei linken Gewaltdelikten war die Abnahme noch deutlicher: Die Zahl sank auf sechs Delikte (15). Insgesamt stellte die Polizei 40 linke Straftaten fest, das sind zehn weniger als im Vergleichszeitraum 2004. Bei den restlichen politisch motivierten Straftaten handelt es sich um ein Delikt aus dem Bereich des ausländischen Extremismus und 463 Fälle, die nicht eindeutig zuzuordnen waren. Unterdessen hat sich die Aufklärungsquote der Polizei bei politisch motivierten Delikten auf 59 Prozent (53 ) verbessert. Frank Jansen

Thorsten Metzner mit ddp

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