zum Hauptinhalt

Brandenburg: Surfen auf der Suche nach der Dunkelziffer

Tote Briefkästen und Viagra aus dem Netz: Wie Kriminelle bei Internetauktionen vorgehen. Wie viele Straftaten es gibt, kann man nur ahnen

Tote Briefkästen und Viagra aus dem Netz: Wie Kriminelle bei Internetauktionen vorgehen. Wie viele Straftaten es gibt, kann man nur ahnen Potsdam - An Erfahrung mangelt es den brandenburgischen Polizisten nicht, wenn es um die Suche nach Kriminellen geht, die über das Auktionshaus Ebay gestohlene Dinge verkaufen. Erst vor zwei Wochen hatten sie einen Fall aus den eigenen Reihen zu bearbeiten: Ein Angestellter der Polizei hatte sieben Festplatten aus ausgemusterten Polizeirechnern gestohlen und im Internet versteigert – mit den geheimen Daten. Wer die Festplatten in die ganze Bundesrepublik verkauft hatte, erfuhren die Beamten vom Internetauktionshaus Ebay Deutschland. Der Kleinmachnower Ableger des US-Internetunternehmens lieferte die Daten des Verkäufers – wie in vielen Fällen für viele andere Polizeidienststellen auch. Laut Ebay funktioniert das so in allen 32 Ländern, wo die Firma Ableger hat. Ebay fürchtet auch, durch die steigende Zahl von Betrügereien in den Geruch eines halbseidenen Marktplatzes zu kommen. Doch wie viele Diebe ihre Ware über Auktionshäuser tatsächlich im Internet absetzen, wie viele Kunden bei Geschäften im Internet geprellt und von wie vielen Kunden die persönlichen Daten ausspioniert werden – das wissen Polizisten und Staatsanwälte nicht. „Wir haben wenige, belastbare Erkenntnisse“, sagt Dieter Büddefeld, Chef des Landeskriminalamtes Brandenburg, „die Dunkelziffer ist sehr groß.“ Selbst eine gestern in Potsdam vorgelegte Brandenburg-Statistik über Straftaten, bei denen das Internet „Tatwerkzeug“ war, mussten sich die Kriminalisten mühsam selbst zusammenstellen. Eine gesonderte Erfassung solcher Delikte gibt es bisher nicht. Ein paar Zahlen mehr liefern könnte Ebay – sagt aber nicht viel mehr. Nur soviel: „Der Anteil der Betrügereien an den Gesamtauktionen bei Ebay liegt im Promillebereich“, so Wolfgang Weber, Senior Manager Legal Trust & Safety (Sicherheitschef) von Ebay. Was auch nicht viel sagt: Da die Firma nicht die Zahl der jährlich über ihre deutschen Seiten abgewickelten Auktionen verrät, kann der Promillebereich nicht errechnet werden. Bei Polizei und Staatsanwaltschaft melden sich nicht nur geprellte Kunden. Einer hatte zu viel bekommen. Ein Apotheker hatte bei Ebay gezielt nach rezeptpflichtigen Medikamenten gesucht, die dort illegal angeboten werden. Bei einem Anbieter wurde er stutzig: Der bot eine leere Packung des Potenzmittels Viagra für 40 Euro an. Der Apotheker bestellte und erhielt eine volle Packung. Die Ermittlungen ergaben, dass die Täter aus einem Dorf bei Trebbin (Teltow Fläming) in mindestens 37 Fällen Viagra über Ebay verkauft hatten. Die Masche mit leeren Packungen ist beim Verkauf von illegalen oder rezeptpflichtigen Mitteln gängig. Komplexer war ein Fall aus dem Polizeibereich Cottbus/Spree-Neiße. Dort war 2004 eine Ermittlungsgruppe gebildet worden, die zusammen mit Ermittlern aus Lübeck und Heidelberg sowie Ebay eine groß angelegte Betrugsserie aufklärte. Nach bisherigen Erkenntnissen ergaunerten die Täter mit 140 Einzelstraftaten dabei mindestens 45 000 Euro. Und das lief so: Einer der Täter eröffnete unter falschen Personalien fünf Accounts bei Ebay und erwarb Waren wie etwa Computer, Notebooks und Wertgutscheine. Er bezahlte mit gefälschten Überweisungen von Konten unbeteiligter Personen. Die Kontendaten hatte er von den Internetseiten verschiedener Firmen und von weggeworfenen Überweisungsträgern in Banken. Die Waren ließ er sich an getürkte Adressen und Briefkästen liefern. Die Briefkästen, die zu leer stehenden Wohnungen in Cottbus gehörten, beschriftete er entsprechend; die Klingelschilder auch. Bei Ebay hatten sich die Täter aus Internetcafes und aus der Stadtbibliothek Cottbus eingeloggt. Aber nicht alle unsauberen Geschäfte werden bekannt: Wo etwas nicht ganz sauber lief, zahlt Ebay schon mal bis zu 200 Euro Entschädigung an Kunden, die sich geneppt fühlen – zu einer Anzeige kommt es dann meist nicht. „Diese Kulanzregelung könnten wir uns finanziell nicht leisten, wenn es viele solcher Fälle geben würde“, sagt Weber. Ähnlich machen es Banken und Kreditkartenanbieter. Sie regeln kleine Fälle intern und hängen sie nicht an die große Glocke. So wird die Polizeistatistik nicht belastet. LKA-Chef Büddefeld schlug am Rande einer Fachtagung in Potsdam gestern Ebay-Sicherheitschef Weber vor, doch bei bestimmten Waren vom Verkäufer die Angabe der Seriennummer zu verlangen. Diese Daten könnten dann direkt mit denen aus der Polizeifahndung abgeglichen werden. Herr Weber fand das etwas zu kompliziert.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false