zum Hauptinhalt

Brandenburg: Und was geschah dann?

Für eine Jubelfeier reichte die Kraft nicht mehr, als das Konzentrationslager Sachsenhausen am 23. April 1945 von russischen und polnischen Soldaten befreit wurde, zu krank und geschwächt waren die Menschen hinter dem Stacheldraht.

Für eine Jubelfeier reichte die Kraft nicht mehr, als das Konzentrationslager Sachsenhausen am 23. April 1945 von russischen und polnischen Soldaten befreit wurde, zu krank und geschwächt waren die Menschen hinter dem Stacheldraht. Tage zuvor hatte die SS das Lager aufgegeben und 30 000 Häftlinge auf "Todesmärschen" in Richtung Ostsee getrieben. Im KZ blieben rund 3000 marschunfähige Männer zurück. Außerdem konnten sich einige Häftlingsärzte und Pfleger bei der Räumung des Lagers verstecken. Rund 1000 Häftlinge waren nach der Befreiung selbst für eine Verlegung in Krankenhäuser zu schwach, sie blieben in den Baracken. Von ihrem Schicksal war bisher nur wenig bekannt. Das haben russische und deutsche Schüler geändert.

Für ihre Ausstellung, die keinen Vergleich mit professionellen Arbeiten zu scheuen braucht, haben Abiturienten des Louise-Henriette-Gymnasiums Oranienburg und des Ökologisch-Humanistischen Gymnasiums Nr. 1634 in Moskau in zwei Jahren unzählige Stunden in deutschen und russischen Archiven zugebracht. Sie sammelten Dokumente, befragten Zeitzeugen in beiden Ländern, trafen sich regelmäßig zum Austausch ihrer Ergebnisse - und konzipierten ihre nicht alltägliche Dokumentation mit dem Titel "Befreier - Befreite - Besiegte".

Über die ersten beiden Gruppen lagen vergleichsweise viele Informationen in Häftlingsdateien und Biographien sowjetischer Militärärzte vor. "Schwieriger war es schon, die damals von der Besatzungsmacht zwangsverpflichteten Pflegerinnen aus Oranienburg ausfindig zu machen", erzählte Claudia Seelhammer, die von Beginn an am Schülerprojekt teilgenommen hatte.

Doch die Beharrlichkeit der Schüler zahlte sich aus. Sie fanden Frauen, die als 14- bis 18-Jährige die kranken ehemaligen KZ-Häftlinge zu pflegen hatten. In ausführlichen Interviews vor laufender Kamera, die in der Ausstellung über Kopfhörer zu verfolgen sind, berichteten sie den Schülern von ihren oft tragischen Erlebnissen. Immerhin starben bis Juni 1945 trotz aller Hilfe rund 300 der 1000 im Lager verbliebenen Insassen. Die jungen Frauen erzählten, wie "normal" sie in der "Stadt der SS", wie Oranienburg genannt wurde, das Lager gefunden hätten. Die NS-Propaganda, die von Schwerverbrechern hinter den Mauern des Lagers sprach, sei nie in Zweifel gezogen worden. Deshalb erhielt diese Gruppe in der Ausstellung von den Schülern auch die Bezeichnung "Besiegte". Der Pflegedienst bedeutete aber auch Schutz vor Hunger und den Soldaten: Es gab Lebensmittel und keine Vergewaltigung.

In Moskau und Krasnogorsk wurde die Ausstellung bereits gezeigt. Sie soll nach dem Willen der Gedenkstättenleitung und der Schüler möglichst an vielen Orten Deutschlands zum Tilgen der weißen Flecken in der Geschichte beitragen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false