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Brandenburg: „Unser Willy Platzeck“

Brandenburgs Genossen sind stolz auf den SPD-Chef aus ihren Reihen – und ahnen, dass er gehen wird

Potsdam - Kein Jubel, nur selten Applaus. Es ist eine merkwürdige Stimmung in der SPD-Landtagsfraktion. Minister und Abgeordnete verfolgen auf einer großen Videoleinwand die Rede von Matthias Platzeck auf dem SPD-Bundesparteitag in Karlsruhe. Nur selten wird gesprochen – man lauscht ergriffen, obwohl vieles für die märkischen Genossen nicht unbekannt ist: Etwa als Platzeck von der „Erneuerung aus eigener Kraft“ spricht, wie in seiner Regierungserklärung vor einem Jahr vor dem Landtag. Oder als er Finnland als Wirtschafts- und Sozialmodell für Deutschland preist – wie er es bisher schon für Brandenburg getan hat.

Nach der Rede wird die Wahl nicht abgewartet und die Video-Übertragung abgeschaltet: „Wir bekommen den besten Parteivorsitzenden der Welt“, ruft Fraktionschef Günter Baaske übermütig. „Unser Willy Platzeck“ – eine Anspielung auf Platzecks Vorbild Willy Brandt. So wundert man sich in der Potsdamer SPD auch nicht wirklich über das Wahlergebnis von 99,4 Prozent, das Journalisten in Karlsruhe als „sensationell“ bewerten. Man ist stolz, aber auch nachdenklich – und ahnt wohl, dass Platzecks Tage in Brandenburg nun gezählt sind.

Zwar bleibt der neue Parteivorsitzende vorerst Ministerpräsident von Brandenburg und SPD-Landeschef. Aber wie lange? Ein Jahr, zwei? Zwei bewährte Mitstreiter, Bildungs-Staatssekretär Martin Gorholt und Landesgeschäftsführer Klaus Ness, wechseln bereits Montag offiziell ins Willy-Brandt-Haus: Gorholt soll heute auf der konstituierenden Sitzung des neuen SPD-Bundesvorstandes zum neuen Bundesgeschäftsführer berufen werden. Sein Nachfolger im Bildungsministerium, der Bildungsprofi Burkhard Jungkamp aus NRW, wird kommenden Dienstag die Ernennungsurkunde als Staatssekretär von Ministerpräsident Matthias Platzeck erhalten. Ness wird im Willy-Brandt-Haus für strategische Grundsatzfragen zuständig sein, vorerst in Doppelfunktion: Am 5. Dezember kommt der Landesvorstand zu seiner nächsten Sitzung zusammen. Dann soll sein Stellvertreter Lars Kumrey erst einmal kommissarisch zum Landesgeschäftsführer berufen werden.

SPD-Fraktionschef Günter Baaske, Platzecks Favorit für den Posten des Landeschefs, macht keinen Hehl daraus: Ness, der wichtigste strategische Kopf der märkischen SPD, werde kaum zu ersetzen sein. Aber noch schwieriger werde es sein, einen halbwegs adäquaten Nachfolger für Platzeck zu finden, wenn der als Ministerpräsident zurücktritt, räumen märkische SPD-Politiker ein. Der frühere Landesvater Manfred Stolpe war da in einer komfortablen Situation: Er hat Platzeck schon Jahre vor seinem Rücktritt als „Kronprinzen“ auserwählt.

Doch betonen führende Sozialdemokraten, dass Platzeck „eben eine Ausnahmeerscheinung“ sei und man daran Nachfolger nicht messen könne. Minister wie Frank Szymanski (Infrastruktur) oder Rainer Speer (Finanzen) „könnten Brandenburg durchaus regieren – und nicht schlechter als andere ostdeutsche Ministerpräsidenten ihr Land“. Man dürfe das „nicht dramatisieren“.

Unterdessen sieht die Linkspartei PDS schwere Zeiten auf Brandenburg zukommen: Platzeck müsse als neuer SPD-Vorsitzender von der Ostsee bis zu den Alpen, in der ganzen Republik unterwegs sein, da werde kaum noch Zeit für Brandenburg bleiben, ist die neue Fraktionschefin Kerstin Kaiser überzeugt. Außerdem müsse er jetzt als Bundesvorsitzender der SPD viele Rücksichten auf die Partei und auf den künftigen SPD-Vizekanzler Franz Müntefering nehmen, was zum Nachteil Brandenburgs sein werde. Kaiser wörtlich: „Ich gehe davon aus, dass wir eine Regierung auf Abruf haben.“

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