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Brandenburg: Vergessenes Ziegenwerder

150 Tage lang glänzte es als Kulturzentrum / Mit viel Geld aufgepeppte Frankfurter Oderinsel verkümmert erneut

150 Tage lang glänzte es als Kulturzentrum / Mit viel Geld aufgepeppte Frankfurter Oderinsel verkümmert erneut Frankfurt (Oder) - „Schaut, was aus der Insel Ziegenwerder geworden ist?“ Fast schwärmerisch klang die Stimme des Erzählers während des deutsch-polnischen Europagartens im vergangenen Jahr aus den Lautsprechern, die an den Bäumen auf der Frankfurter Oderinsel angebracht worden waren. Das freudige Erstaunen konnte nachvollziehen, wer über das idyllische, gepflegte Eiland schlenderte, vorbei an dem grünen Klassenzimmer, Glaspavillons mit exotischen Pflanzen, Palmenstrand und liebevoll gestalteten Gärten. In die Schönheitskur für das einstige „sozialistische Verwahrlosungsbiotop“ waren Millionen Euro geflossen, 150 Tage lang glänzte der Ziegenwerder als naturnahes Kulturzentrum. Doch die Pracht hielt lediglich einen Sommer. „Was ist nur aus der attraktiven Insel geworden“, fragt sich heute so mancher Frankfurter. Bei einem Spaziergang über das 23 Hektar große Eiland können viele nur den Kopf schütteln. Graffitis verschandeln Bänke und Treppen, Hecken und Rasenflächen sind ramponiert. Die „Hanselinien“ - aufgeschichtete und mit einem Drahtgeflecht zusammengehaltene Steinmauern - haben bereits Lücken. Die von Bürgern befürchtete Verwahrlosung scheint bereits in vollem Gange. Wachschutz, Tore an den Eingängen sowie Eintrittskarten gibt es seit dem Ende des Europagartens nicht mehr. Was den Betrachter zudem verwundert: Heckentheater und Panoramakino, im vergangenen Jahr Herzstück des kulturellen Europagarten-Festivals, sind derart stark zurückgebaut, dass sich ihre Funktion nur noch erahnen lässt. „Uns wurde doch von der Stadtverwaltung auch für dieses Jahr ein Kultursommer versprochen“, sagt ein Frankfurter. In dieser Hinsicht droht das blanke Desaster. Der Frankfurter Oberbürgermeister Martin Patzelt (CDU) musste jetzt gegenüber dem Stadtparlament einräumen, dass es bisher keinen Veranstaltungskalender, geschweige denn ein Konzept gibt. Kein Wunder, schließlich hat dafür offensichtlich niemand den Hut auf. Nicht das städtische Kulturbüro, das sich nach ursprünglichen Plänen Patzelts darum kümmern sollte, und auch kein Bürgerförderverein. Das Frankfurter Stadtoberhaupt hatten die Schaffung eines solchen Vereins, der sich mit Programmgestaltung und Mitteleinwerbung in Sachen Ziegenwerder befassen sollte, angeregt. „Es fand sich keine stadtbekannte Persönlichkeit, die den Verein leiten wollte“, bedauert Patzelt. Die Stadtverwaltung ist sich bisher auch mit keiner privaten Veranstaltungsagentur zur Vermarktung des Natur-Kulturzentrums einig geworden. Der Grund: Potenzielle Interessenten hatten eine finanzielle Unterstützung aus dem Rathaus als Bedingung gestellt. „Die Bewirtschaftung des Ziegenwerders muss angesichts knapper Kassen ohne zusätzliche Kosten für die Stadt erfolgen“, beharrt jedoch der Oberbürgermeister. Das Nachsehen haben nunmehr Vereine und Initiativen aus der Region, die das Veranstaltungsprogramm auf der „Kulturinsel“ durch eigene Beiträge bereichern wollten. Zwar wurde im Frankfurter Rathaus das Genehmigungsverfahren für kulturelle Angebote vereinfacht, aber der jeweilige Veranstalter muss sich um Werbung, Bühnen-Technik und Toilettenhäuschen allein kümmern. „Für einen kleinen Verein ist das gar nicht zu bewerkstelligen“, winkt Brigitte Kabel vom Frankfurter Kleinen Kino ab. Lediglich für das leibliche Wohl könnte auf dem Ziegenwerder bald gesorgt sein. Mit einem Gastronomiepächter sollen die Verhandlungen kurz vor dem Abschluss stehen. Der Interessent will gemeinsam mit der Frankfurter Brauerei einen Biergarten auf dem Ziegenwerder eröffnen.

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