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Brandenburg: Vielen kam die Böllerei teuer zu stehen

605 Brände, 31 Verletzte – und die Gefährlichkeit der Knaller nimmt durch neues EU-Recht noch zu

Berlin - Mehr Böller, mehr Brände – die simple Gleichung galt auch bei diesem Jahreswechsel. Die Berliner Feuerwehr registrierte 605 Feuer in der Silvesternacht – im Vorjahr waren es 245. Der Schaden ist noch nicht abzuschätzen, unter anderem hatten Raketen und Kracher Balkone, Wohnungen und Dachstühle entzündet, darunter das Dachgeschoss im Wohnhaus des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit.

Ursache der erschreckend hohen Zahl an Bränden sei auch die trockenere Witterung. Und: „Es wird mehr Schindluder damit getrieben“, ärgert sich die Feuerwehr. Teilweise werden Raketen gezielt auf Menschen oder Gebäude geschossen. „Leichtsinn, Übermut und kriminelle Energie nehmen zu“, hieß es. Mindestens 31 Menschen verletzten sich beim Zünden der Kracher. „Wenn es nach uns geht, sollte man Feuerwerk verbieten“, lässt der neue Landesbranddirektor Wilfried Gräfling ausrichten. Doch es sei nicht realistisch, ein Verbot durchsetzen zu können. Schon Gräflings Vorgänger Albrecht Broemme hatte vor vier Jahren mit drastischen Worten ein Böllerverbot für Berlin gefordert. Damals hatte es „nur“ 507 Brände gegeben. Broemmes Appell versandete damals in der Politik. Gestern stellte Senatssprecher Michael Donnermeyer noch einmal klar: „Das Böllerverbot wird man nicht durchsetzen können. Die Leute wollen diese Freude.“

Selbst die Versicherungen, denen die Lust am Böllern viel Geld kostet, sehen keine Chance, Pyrotechnik zu verbieten. Dabei steht nach Angaben von Katrin Rüter vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft fest: „Das Schadensaufkommen ist deutlich höher als sonst im Jahr.“ Ähnlich sieht es Asta Wegner von der Berliner Feuersozietät: „Versicherungen stehen dem Böllern natürlich nicht positiv gegenüber“, zu verbieten sei es aber nicht. Wer den Schaden hat, bekomme diesen von der eigenen Hausratsversicherung oder der Wohngebäudeversicherung ersetzt, beruhigte Wegner alle Betroffenen. So gut wie nie gelinge es, den Verursacher ausfindig zu machen, um die Kosten einzutreiben.

Dabei wird in den kommenden Jahren das Knallen gefährlicher. Denn noch in diesem Jahr will die EU eine „Pyrotechnik-Richtlinie“ verabschieden – und die wird längst nicht so streng sein wie die deutschen Regeln von der Bundesanstalt für Materialforschung (Bam). „Das Sicherheitsniveau wird nicht besser“, sagte Bam-Experte Lutz Kurth. Künftig werden Böller mit dem „CE“ der Europäischen Gemeinschaft gekennzeichnet. In Spanien ist zum Beispiel statt der deutschen sechs Gramm Schwarzpulver ein sogenannter „Blitzknallsatz“ erlaubt. Diese zünden wesentlich schneller als eine Detonation.

Den Unterschied erklärt Kurth so: Wer einen Schwarzpulverböller in der Hand zündet, dem tut die Hand weh. Wer einen spanischen Böller zündet, dessen Hand ist ab. Spanische oder polnische Böller künftig „vom deutschen Markt fernzuhalten, wird sehr schwer“, sagt der Bam-Experte – schließlich sei ja das CE-Zeichen drauf. „Wer will das kontrollieren?“ Schon jetzt wird übers Internet illegale Silvestermunition gehandelt, bestätigt Gitta Huwe vom Landeskriminalamt. So seien im Dezember in Reinickendorf 80 Kilo Schreckschussmunition sichergestellt worden, die unter anderem bei Ebay angeboten wurden.

Begeistert über den gestiegenen Böllerverkauf ist die Industrie. Es sei endlich gelungen, mit den neuen Batteriefeuerwerken „auch Frauen zu begeistern“ – durch „einfache Bedienung“.

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