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Brandenburg: „Zahlungsunfähigkeit im März“

Berliner Wohnungsbaugesellschaft Mitte hat massive Finanzprobleme / 400 Arbeitsplätze auf der Kippe

Berliner Wohnungsbaugesellschaft Mitte hat massive Finanzprobleme / 400 Arbeitsplätze auf der Kippe Von Mathew D. Rose Berlin - Für Berlins Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) war es ein Auftritt, der zu seinem Image passte. Der Mann, der als Sanierer des Berliner Haushalts in die Geschichte eingehen will, konnte im Mai 2004 einen neuen Erfolg vermelden. Berlins defizitäre Beteiligungsgesellschaften, verkündete er stolz, hätten ihre Verluste gegenüber dem Vorjahr reduziert. Vor allem wiesen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften ein positives Jahresergebnis von 31 Millionen Euro aus. Einer der Stars war die Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM), die einen Gewinn von 10,5 Millionen Euro verbuchte. Gut ein Jahr nach dem triumphalen Auftritt des Senators müssen einige WBM-Mitarbeiter feststellen, dass ihr Unternehmen vor der Insolvenz steht. In einem Bericht der Geschäftsführung an den Berliner Senat vom 25. August 2005, der den Mitarbeitern in die Hände fiel und der Nachrichtenagentur ddp vorliegt, heißt es: „Die Zahlungsunfähigkeit des Konzerns wird sich nach aktueller Planung im März 2006 einstellen.“ Die WBM, die vor allem mit Bankkrediten in Höhe von 1,2 Milliarden Euro belastet ist, hat schwerwiegende Liquiditätsprobleme. Die Wohnungsbaugesellschaft werde das Wirtschaftsjahr 2005 nach aktueller Planung mit nur 385 000 Euro Liquidität beenden, heißt es weiter in dem Bericht. Angesichts der Schulden ein katastrophaler Zustand. Als kurzfristige Lösung bleibt nur der Verkauf von Mietshäusern. Statt des bisher geplanten Verkaufs von 2500 Wohnungen in diesem Jahr könnten es bis zu 10 000 werden – rund ein Drittel des gegenwärtigen Bestandes. Schon im vorigen Jahr musste die Gesellschaft angesichts erheblicher Liquiditätsprobleme mit 6566 Wohnungen rund 20 Prozent ihres Bestandes schleunigst verkaufen. Die Gesellschaft schloss das Jahr trotzdem mit einem Verlust von rund 56 Millionen Euro ab. Als weitere dringende Sanierungsmaßnahme wird in dem Vorstands-Papier der Abbau von Arbeitsplätzen genannt. Laut WBM-Insidern sollen rund 400 der bisher 700 Stellen eingespart werden. Die WBM-Geschäftsführung erklärte dazu gestern: „Betriebsbedingte Kündigungen können nicht mehr ausgeschlossen werden“. Außerdem sei eine Umfinanzierung des Kapitaldienstes nötig, vor allem das Aussetzen von Tilgungen, heißt es in dem Papier. Nach Zahlen vom Jahresbeginn ist der Hauptgläubiger der WBM die landeseigene Investitionsbank Berlin. Sie hat mit rund 400 Millionen Euro ein Drittel der WBM-Kredite in ihrem Portfolio. Zweiter Großkreditgeber ist die Bankgesellschaft Berlin, die zu 80 Prozent dem Land Berlin gehört, mit fast 300 Millionen Euro. Damit ist Berlin bei der von der Pleite bedrohten Gesellschaft insgesamt mit 700 Millionen Euro engagiert. Bürgschaften für Bankenkredite in Höhe von 291 Millionen Euro werden dem Steuerzahler wenig Trost spenden, diese stammen nämlich vom Land Berlin und vom Bund. Der Grünen-Haushaltsexperte im Berliner Abgeordnetenhaus, Oliver Schruoffeneger, betrachtet die Lage der WBM mit Sorge. Das Unternehmen sei in einem so schlechten Zustand, dass ein Verkauf vermutlich nicht ausreichen würde, um die Bankkredite zu tilgen. „Im vergangenen Jahr hat Berlin die städtische Wohnungsbaugesellschaft GSW für 2,1 Milliarden Euro verkauft“, sagte Schruoffeneger der Nachrichtenagentur ddp. „Aber die GSW war ein bereits saniertes Unternehmen mit rund 65 000 Wohnungen. Die WBM muss erst noch saniert werden und besitzt nicht einmal 30 000 Wohnungen.“ Deshalb drohten Berlin und seinen Banken selbst bei einem Verkauf der WBM erhebliche Verluste. Dabei war die WBM nach der Wende die Perle unter Berlins städtischen Wohnungsbaugesellschaften. Sie zählte nicht nur zu den Größten, sondern hatte einen beträchtlichen Bestand in Zentrallagen des neuen Regierungsbezirks. Dazu zählten viele wertvolle Alt- und Neubauimmobilien, darunter Gewerbeimmobilien wie das Hochhaus Internationales Handelzentrum an Berlins nobler Friedrichstraße. Die WBM wurde zum Opfer schlechten Managements und der Berliner Politik. Über Jahre konnten die damaligen Geschäftsführer Falk Jesch und Karl-Heinz Schmidt Misserfolge durch die massive Veräußerung von Immobilien verschleiern. In den vergangenen Jahren entzogen sie mit äußerst komplizierten Fonds- und anderen Finanzgeschäften einer völlig überforderten Landesverwaltung die Kontrolle. „Die Beamten verstanden gar nicht, was die WBM-Chefs machten“, sagt Schruoffeneger. Der Aufsichtsrat, der von den politischen Parteien geprägt war, hatte den Geschäften zugestimmt. Jesch und Schmidt erzielten mit Verkäufen und Leasing-Geschäften zwar hohe Erträge. Sie garantierten jedoch den Abnehmern unrealistisch hohe Mieten. Die entsprechenden Einnahmen blieben jedoch aus. Jetzt muss das Unternehmen dafür bezahlen. „Es ist das gleiche Modell, das zum Zusammenbruch der Bankgesellschaft Berlin führte“, kommentiert ein Immobilienfachmann. Parallel zu diesen Geschäften versuchten sich die ehemaligen WBM-Chefs außerdem in Immobilienentwicklungen, etwa beim Einkaufszentrum Rathauspassage und bei einem Kongresszentrum. Die Engagements führten laut Bericht der neuen WBM-Geschäftsführer zu massiven Verlusten. Die desolate Lage der WBM kam allerdings erst ans Licht, nachdem die beiden Geschäftsführer im Jahr 2004 in den Ruhestand gingen.

Mathew D. Rose

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