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Wahlrecht in Brandenburg: Zu behindert zum Wählen?

Behinderte aus Oberhavel erhielten für die Bundestagwahl keinen Wahlschein.

Von Matthias Matern

Oranienburg/Potsdam - Wählen zu dürfen ist in Deutschland ein Grundrecht, Ausnahmen gibt es nur sehr wenige. Uta Gerber von der Lebenshilfe Oberhavel Süd hat jedoch Zweifel, dass bei der jüngsten Bundestagswahl im Kreis Oberhavel tatsächlich jeder Wahlberechtigte auch seine Stimme hat abgeben dürfen. Insgesamt 20 Personen aus Velten, Hennigsdorf, Oranienburg und Mühlenbeck, allesamt Klienten der Einrichtung für geistig Behinderte, haben sich in den vergangenen Monaten bei ihr gemeldet und berichtet, dass sie für die Wahl Ende September keine Wahlbenachrichtigung erhalten hatten. Zumindest einige der Betroffenen wurden offenbar grundlos von den Wahllisten gestrichen. Für Gerber ein Unding: „Das kann doch nicht sein: Menschen, die sonst ihre Angelegenheiten weitgehend selbst erledigen, bekommen keinen Wahlzettel“, sagt die Chefin des Kreisvereins Oberhavel Süd.

Dem Bundeswahlgesetz zufolge ist jeder deutsche Staatbürger wahlberechtigt, der am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet hat. Ausgeschlossen ist nur, „wer infolge Richterspruchs das Wahlrecht nicht besitzt“. Nicht wählen darf zudem „derjenige, für den zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Anordnung bestellt ist“ und „wer sich aufgrund einer Anordnung“ auf Grundlage des Strafgesetzbuches „in einem psychiatrischen Krankenhaus befindet“. Warum den 20 Betroffenen im Landkreis Oberhavel kein Wahlschein zugeschickt wurde, ist bislang unklar. „Die Kommunen haben uns gesagt, wir sollen uns direkt an den Landeswahlleiter wenden“, berichtet Gerber. Ein Brief an Brandenburgs Landeswahlleiter Bruno Küpper von Anfang Dezember blieb bislang ohne Antwort. Die Lebenshilfechefin ist sauer: „Auf der einen Seite wird das Thema Inklusion so groß geschrieben, aber hier wird nichts gemacht.“ Für einige Betroffene war das vergebliche Warten auf den Wahlschein mit einer besonderen Enttäuschung verbunden. „Vier der 20 Personen haben zuvor extra eine Wahlschulung absolviert“, betont Uta Gerber.

In Küppers Büro fühlt man sich jedoch weder zuständig noch hält man den Fall offensichtlich für sonderlich gravierend. Zumal man ja ohne die Wahlbenachrichtigung nicht automatisch von der Wahl ausgeschlossen sei. Dann müsse man sich als Bürger eben selber kümmern und das Wählerverzeichnis der jeweiligen Kommune prüfen, sagt Küppers Sprecherin Bettina Cain. Zudem könne es viele Gründe dafür geben, dass man keinen Wahlschein erhält. „In Erkner hat zur Bundestagswahl ein ganzer Wohnblock keine Wahlbenachrichtigung erhalten. Es hat sich herausgestellt, dass der Bote die Dinger irgendwo hat verschwinden lassen“, gibt Cain ein Beispiel. Sofern es sich aber um eine richterliche Entscheidung handle, habe der Landeswahlleiter ohnehin keine Einflussmöglichkeiten. In solchen Fällen müssten aber zumindest die jeweiligen Betreuer informiert werden. „Wir wollen uns aber auf jeden Fall mal bei dieser Lebenshilfe melden“, verspricht die Sprecherin des Landeswahlleiters.

In „nicht wenigen Fällen“ sollen Betroffene von Wahlvorständen aus dem Wahllokal verwiesen worden sein. Laut Lebenshilfe habe eine Nachfrage beim zuständigen Betreuungsgericht, dem Amtsgericht Oranienburg, ergeben, dass für einige der fraglichen Personen durch einen Richter ein Sperrvermerk für das Wahlrecht verfügt wurde. Beim Amtsgericht sind aber auf PNN-Anfrage bisher „keine konkreten Fälle bekannt“. Allerdings will man der Sache nachgehen. „Wir prüfen das zurzeit“, versichert Gerichtssprecherin und Richterin Johanna Klühs.

Uta Gerber pocht indes mit Verweis auf das brandenburgische Superwahljahr 2014 auf eine schnelle Klärung. Als Erstes stehen am 25. Mai die Kommunal- und Europawahlen an. Am 14. September wird dann der brandenburgische Landtag neu gewählt. „Es wird Zeit, dass etwas passiert“, findet die Lebenshilfechefin. 

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