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Brandenburg: Zuviel gewollt, zu viel bekommen

Ermittler glauben an einen Zusammenhang zwischen der Pleite der Ifes AG und der der PanMedium

Ermittler glauben an einen Zusammenhang zwischen der Pleite der Ifes AG und der der PanMedium Potsdam - Die drei Herren und die eine Dame waren sehr diskret. Um 8.53 Uhr fuhren sie in der Potsdamer Steinstraße bei der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) vor, stiegen aus dem Mercedes und warteten in der Empfangshalle. Nichts unterschied sie von normalen Kunden, die auf einen Termin in der Förderbank des Landes warten. Höflich ging der große Herr im dunkelblauen Anzug an den Rezeptionstresen und telefonierte mit dem Vorstand. Als ihn der Abteilungsleiter vom Stab des ILB-Vorstandes, Harald Fuchs, um kurz nach 8 Uhr abholen kam, zog er den Dienstausweis des Landeskriminalamtes (LKA) Brandenburg. Er sei in einer Angelegenheit gekommen, die in Ruhe besprochen werden müsse. Fuchs bat die drei im Business-Dress erschienenen LKA-Fahnder und den Staatsanwalt in Jeans zum Fahrstuhl. Was dann in Potsdam, Berlin, Hamburg, Köln, Leverkusen, Düsseldorf sowie im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektionen Lübeck und Merseburg folgte, könnte den Vater der Deutschen Meinungsforschung, Klaus Liepelt, dessen Geschäftspartner, Mitarbeiter der Bank und des Wirtschaftsministeriums vor Gericht – einige sogar ins Gefängnis bringen. Wenn sich die Vorwürfe und Ahnungen der Ermittler bewahrheiten. Und es könnte Licht in Dunkel der Pleite eines der größten Prestige-Projekte der Stadt Potsdam bringen – die der PanMedieum Stiftung, die die Roten Kasernen zum High-Tech-Standort mit Superrechner ausgebaut hatte. Vordergründig geht es in dem von der Staatsanwaltschaft Potsdam geführten Verfahren um das von Liepelt und Partnern Mitte der 90er Jahre gegründete Institut für Empirische Sozialforschung (Ifes) Potsdam. Die Meinungsforscher hatten große Pläne: 30 000 Haushalte in Deutschland sollten unentgeltlich mit Kleinstcomputern (Panelboxen) ausgestattet, mit der Ifes verbunden werden und Daten über Konsumverhalten liefern. Doch die Ifes-Leute hatten selbst nicht genügend Geld. Daher wollten sie sich, so die Ermittler gestern, 50 Prozent der Investitionen in Höhe von 30 Millionen D-Mark von der ILB fördern lassen. Doch im ersten Anlauf schlug dies 1996 fehl: Die ILB durfte nur fördern, wenn die geförderten Güter mindestens drei Jahre im Unternehmen bleiben. Doch die teuren Computer-Boxen sollten ja kostenlos in deutschen Wohnzimmern stehen und nicht bei der Ifes. Und dafür gab es keine Investitionsgelder. Ein zweiter Förderantrag an die ILB wurde 1999 bewilligt. Die Ermittler gehen nun davon aus, dass Ifes da gezielt manipuliert hat und dass Mitarbeiter der ILB und des Wirtschaftsministeriums davon Kenntnis gehabt haben könnten. Unter den bundesweit 37 Beschuldigten, gegen die u.a. wegen des Verdachts der Untreue, des Subventionsbetruges, des Kapitalerhöhungsschwindels sowie der Steuerhinterziehung ermittelt wird, sind nach PNN-Informationen auch zehn bis 20 teils höhere Mitarbeiter der ILB und der Ministeriums. Für den zweiten Antrag sollen die Ifes-Leute um Liepelt die Kosten für die Boxen gezielt kleingerechnet haben. Um die Kosten trotzdem gefördert zu bekommen, so der Vorwurf, hätten sie anderer Stelle andere Kosten künstlich erhöht bzw. glatt erfunden. Eigens dazu sollen sie nach PNN-Informationen in Schottland die Briefkastenfirma ATC gegründet haben. Und soll fleißig Rechnungen und Kostenvoranschläge für erfundene Leistungen, Know-how-Transfer, Patente und Software-Lizenzen über 40 Millionen Mark geschrieben haben. Mit den ATC-Briefen wiederum soll Ifes im Förderantrag an die ILB den Finanzbedarf von 30 Millionen Mark und damit den Bedarf an 15 Millionen Mark Fördergeldern belegt haben. Grund für die Umrechen- und Frisieraktion: Lizenzen und Know-how bleiben rechtlich beim Eigentümer, auch wenn die Boxen in privaten Wohnzimmern stehen – und sind somit förderfähig. Die ILB-Mitarbeiter, so glauben die Fahnder hätten durch den ersten, abgelehnten Antrag der Ifes-Leute wissen müssen, dass der zweite nicht rechtens sein kann. Aus der ILB hieß es gestern dazu, man habe selbst im Jahre 2002 eine Mitteilung an die Staatsanwaltschaft zur Ifes gegeben. Warum der Antrag trotzdem zunächst am 1. September 1999 bewilligt worden ist, blieb offen. In Ermittlerkreisen offen darüber spekuliert, dass eine nicht unerhebliche Rolle bei der Förderung der Ifes die brandenburgische Politik gespielt hat. „Das waren alles Projekte, die unbedingt gewollt waren und die Glanz bringen sollten.“ Galt dies schon für die Ansiedlung der Ifes – immerhin eine Firma mit Klaus Liepelt an der Spitze – dem Mann, der der Bundesrepublik über Jahrzehnte hinweg die Wahlergebnisse und Prognosen im ZDF präsentierte. So galt das politische Interesse der Potsdamer Stadtväter und der Landespolitiker erst recht dem PanMedium Projekt in der Landeshauptstadt. Zwar wird offiziell noch nicht in Sachen PanMedium ermittelt, doch das High-Tech-Projekt ins längst ins Visier der Fahnder geraten. Zum einen sind bei beiden Projekten die selben Leute tätig gewesen und wurden beide gefördert, zum anderen sind beide pleite. Bei PanMedium sehen Insider gar noch mehr Potential: So gehen die Ermittler intern davon aus, dass PanMedium nur gegründet worden sei, um der Ifes günstig Büroräume und teurer Computer- und Datenverarbeitungs-Kapazitäten zu beschaffen. Das Heikle: PanMedium war als Stiftung gegründet worden, die noch mehr Subventionen kassieren konnte und auch 75 Prozent der gesamten Infrastrukturkosten als Förderung aus öffentlichen Kassen bekam – immerhin 20 Millionen Mark allein für die Baukosten. Die Fahnder glauben, dass zwar der Subventionsbetrug durch die Ifes nicht von Anfang an geplant war – sich lediglich durch die erste Ablehnung des Förderantrags „ergeben“ habe. Denn die Realisierung der PanMedium und der Ifes seien von einander vollkommen abhängig gewesen: „Ohne das Eine ging dasAandere nicht – und umgekehrt“, so ein Ermittler gegenüber den PNN. Denn PanMedium sei nur zu dem Zweck gegründet worden, günstigen und subventionierten Büroraum für die Ifes bereitzustellen. Ein Ermittler: „Die Ifes sollte 50 Prozent der Büros in den Roten Kasernen mieten.“ Hätte also die Ifes keine Förderung vom Land bekommen, wäre sie als Mieter der PanMedia ausgefallen – PanMedium wäre tot. Und: Hätte die PanMediuma keine Förderung aus so vielen Töpfen bekommen, hätte die Ifes ihr Konsumforschungsprojekt beerdigen können. Denn für normalen Büroraum, damals teure Breitbandverbindungen und schnelle Server hatte Ifes selbst kein Geld. PanMedium hatte als Miete für Räume sowie Rechner- und Netzwerkkapazität von der Ifes jährlich knapp zwei Millionen Mark einkalkuliert. Egal, was die Ermittler am Ende herausfinden – fest steht, dass weder von den PanMedium- noch die Ifes-Träumen mehr als Schulden und versenkte Fördergelder geblieben sind. Und mit den Träumen gingen auch wieder Visionen Brandenburger Politiker unter. Jedenfalls war der damalige Potsdamer Oberbürgermeister Matthias Platzeck bei der Einweihung der Roten Kasernen hell auf begeistert und sah eine „Meile des Wissens“ im Potsdamer Norden entstehen. Die Ermittler glauben jedenfalls seit gestern mehr zu wissen. Gestoßen sind sie darauf in Potsdams Mitte im Ministerium. Und im Osten – bei der ILB.

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