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Landeshauptstadt: 42 000 Kilometer bis nach Singapur

Heute wird Ex-Staatskanzlei-Chef Jürgen Linde 70 – sein großes Abenteuer hat er schon erlebt: Mit dem Wohnmobil fuhr er ein Jahr lang durch die Welt

Heute wird Ex-Staatskanzlei-Chef Jürgen Linde 70 – sein großes Abenteuer hat er schon erlebt: Mit dem Wohnmobil fuhr er ein Jahr lang durch die Welt Zehn Monate, 42 000 Kilometer, 23 Länder, Hitze, Kälte, Zeitumstellung und Maschinengewehre – und das alles mit dem Wohnmobil? Was Otto-Pauschaltourist für alles andere als „Urlaub“ halten würde, was dem Normal-Camper vor lauter Sorgen um seinen Wilk, Hymer, Tappert, Eriba oder Hobby die Schweißperlen auf die Stirn treibt, das ist für Jürgen Linde, der heute 70 Jahre alt wird, erst eine richtig schöne Reise. Von August 2003 bis Juni 2004 war Linde unterwegs. Die Fahrt ging von Potsdam bis nach Singapur – und zurück. Einige Abschnitte der Reiseroute zwischen China und Indien sind vorher noch nie mit Campern bereist worden und werden, infolge des Tsunamis, wohl in naher Zukunft nicht noch einmal befahren werden können. Besonders das Durchqueren von Myanmar, dem ehemaligen Burma, hat dem Konvoi von 16 Wohnmobilen große Probleme bereitet. Nur weil die Regierung von Myanmar – vor der Flut – großes Interesse an einem Ausbau des Caravan-Tourismus im Land zeigte, war der Grenzübertritt möglich. Heute sähe das wohl anders aus, wie auch in Thailand: „Da kriegt man schon ein beklemmendes Gefühl, wenn man die Fernsehbilder sieht“, sagt Linde. Wären sie ein Jahr später gefahren, dann „wären wir vielleicht weg gewesen, und keiner hätte uns vermisst. Wir waren ja viel in Naturparks unterwegs und haben einfach irgendwo am Strand gestanden.“ Der Potsdamer war mit dem Wohnmobil an Orten, die ein Pauschaltourist nie zu sehen bekommt. „Deshalb würde ich eine Wohnmobil-Tour niemals gegen eine Hotelreise tauschen. Mit dem Camper kommt man einfach überall hin“.. Allein 1500 Kilometer ist Linde an der pakistanisch-afghanischen Grenze entlanggefahren, begleitet von bewaffneten Jeep-Patrouillen, welche ihnen die Regierung als Schutz zur Seite gestellt hatte. Er hat 2600 Kilometer durch Sibirien und über den Ural zurückgelegt, hat den chaotischen Verkehr chinesischer und indischer Metropolen durchschifft. Kurzum, er hat die halbe Welt bereist – mit seiner Frau Eva und dem Hobby 600 FSC. Dieses insgesamt 6,60 Meter lange Wohnmobil auf Basis eines Fiat Ducato wurde ihm vom Hobby Wohnwagenwerk zu Testzwecken überlassen – und es hat sich bewährt. Nur zwei Reifenpannen und einen durchgeschlagenen Stoßdämpfer zog sich der Hobby auf der Tour zu. Nach der Reise hat Linde sein altes Mobil sofort gegen den Pisten erprobten Testwagen eingetauscht. Nicht nur die große Zuverlässigkeit des Hobby-Campers hat ihn zu diesem Schritt bewogen: „Auf so vielen Kilometern baut man ein enges Verhältnis zu seinem Fahrzeug auf, ich wollte es einfach nicht mehr hergeben.“ Jürgen Linde ist ganz offensichtlich ein Enthusiast. Ein bewegtes Berufsleben hat er hinter sich, war Vorsteher einer kleinen Gemeinde im Harz, bevor es ihn in den Bundestag und später nach Potsdam verschlagen hat. Hier hat er als Chef der Staatskanzlei und ehrenamtlicher Vorsitzender des Brandenburgischen und später des Deutschen Tourismusverbandes einiges bewegt und Kontakte zur Tourismusindustrie geknüpft. Das hat ihm sicher geholfen, aber einfach sei die Organisation der Mammut-Reise trotzdem nicht gewesen, sagt Linde. Allein die vielen Ein- und Durchfahrtgenehmigungen, die Visa- und Zollformalitäten hätten einiger Vorbereitung bedurft. Das meiste habe zum Glück der Reiseveranstalter mit dem überaus passenden Namen „Perestroika-Reisen“ übernommen. Trotzdem habe der Camper-Konvoi für jede Grenzüberschreitung einen ganzen Tag Aufenthalt veranschlagt „und genau so ist es dann auch gekommen“. Das Abenteuerlichste waren aber nicht die vielen tausend Kilometer auf den Pisten Süd-Asiens, die Begegnungen mit Menschen unterschiedlichster Kulturen und Hautfarben oder die politischen Randumstände, welche die Reisenden nicht nur in Afghanistan und Myanmar zur Änderung der Route zwangen. Nein, das Abenteuerlichste, „das war die Bahnfahrt“, sagt Jürgen Linde. Siebenhundert lange Kilometer durch die Wüste Gobi haben die Wohnmobile, festgezurrt auf offenen, ungesicherten Waggons, die über alte ausgeschlagene Gleise ratterten, überstanden. „Mit 30 Kilometern pro Stunde ging es aus der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator raus und dann den Berg rauf – und mit hundert Sachen wieder runter. Das hat so gescheppert, dass wir den Gang rausnehmen mussten, damit sich die Fahrzeuge auf den Waggons ein bisschen bewegen konnten.“ Im Rückblick sei dies die unruhigste Nacht der ganzen Reise gewesen, meint Linde. Und wie war das nochmal mit der Rache Montezumas? Gemeint ist der Durchfall, von den Reisende in fernen Länder oft befallen werden. So schlimm sei das aber nicht gewesen, sagt Linde. Ein ernstes Wehwehchen hat er sich am Ende der Fahrt aber doch noch zugezogen. Eine Muskelreizung im Bein hinderte ihn am Weiterfahren und seine Frau musste ihn tagelang chauffieren. Der Grund: Er hatte einfach zu oft Gas gegeben, gebremst und gekuppelt.

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