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Haus für jedermann. Die Geschichte des Kulturhauses Babelsberg ist gut dokumentiert. Ab heute bis Jahresende zeigt die Awo historische Fotos aus allen sechs Jahrzehnten. Das schöne Gebäude samt prächtigem Treppenhaus wurde vor fünf Jahren denkmalgerecht saniert.

© Andreas Klaer

Jubiläum des Babelsberger Kulturhauses: 60 Jahre und kein bisschen leiser

Am Anfang traf man sich zu Skat und Tanz, später Jazz und Fotozirkel. Das Babelsberger Kulturhaus, jetzt in Trägerschaft der Awo, feiert heute Abend ein fröhliches Jubiläum.

Potsdam - Das alte Babelsberger Rathaus ist noch gar nicht so alt, da wird es schon nicht mehr gebraucht – zumindest nicht als Rathaus. Denn 1938 wird Babelsberg Potsdam zugeschlagen. Aus dem Verwaltungssitz, ein Backsteinbau des Potsdamer Architekten J. Otto Kerwien aus dem Jahr 1900, wird dann zunächst ein Gebäude mit mehreren Funktionen: Hier kommen Bibliothek und Sparkasse unter, im Krieg ein Reservelazarett. Nach Kriegsende unter anderem eine Zweigstelle des Gesundheitsamtes und des Standesamtes. Heiraten kann man hier noch. Bis 1956 aus dem alten Rathaus an der prominenten Kreuzung das Klubhaus Herbert Ritter wird – 1974 benannt nach einem jungen Widerstandskämpfer.

Gern hätte man das Haus auch nach Bert Brecht genannt, der im Gründungsjahr des Kulturhauses verstorben war. „Aber das wollten die Brecht-Erben nicht“, sagt Yvonne Pachls. Sie leitet seit elf Jahren das Haus, das sich heute, seit 2005, in Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt befindet. Alles ist anders, 60 Jahre nach der Gründung als Kulturhaus. Und doch ist eines geblieben: die Menschen. „Die Auslastung ist toll, das Haus steht keinen Tag leer“, sagt Pachl. 60 Jahre Kulturhaus werden jetzt gefeiert – mit einem Tanzfest am heutigen Freitag.

Und mit einer großartigen Fotoausstellung im Treppenhaus. Das Leben im Kulturhaus wurde stets dokumentiert. Die Fotos zeigen Tanz und Musikveranstaltungen, Theater und Modenschauen. Außerdem private Feiern wie Hochzeiten oder Jubiläen. Sie zeigen Weihnachtsbasar und Bibliothek, Hoffeste und Sportveranstaltungen.

"Besonders der Fasching auf allen Etagen war legendär“

Das Haus ist in den Jahrzehnten nach dem Krieg, als man noch beengt wohnte, Treffpunkt für Herren im Billard- oder Skatzimmer, die Damen besuchen die Milchbar, es gibt ein Fernsehzimmer. Zu Weihnachten wird alles geschmückt, im Foyer steht ein „HO-Knusperhäuschen“, vor dem Haus ein Kinderkarussell. Für Kinder gibt es stets besonders viele Angebote, sogenannte Zirkel: Puppen basteln, Fotografie, Modelleisenbahn, Künstlerisches und Schachspiel. Auch in den Ferien hat das Haus geöffnet. Im Keller findet die Jazzreihe „Jazz am weißen Flügel“ statt, im Ratskeller gibt es Tanz und Disko. Yvonne Pachl ist Potsdamerin und erinnert sich noch gut: „Im Herbert Ritter war immer was los. Besonders der Fasching auf allen Etagen war legendär.“

Verkehrstechnisch ist das Haus bestens angebunden, hier hält die Tram und noch bis in die 1990er-Jahre der O-Bus an der Ecke. Obwohl das Haus im Krieg nichts abbekommen hat, ist es seit den 80er-Jahren mehr und mehr sanierungsbedürftig, den weißen Flügel im Keller gibt es auch nicht mehr. Pachl nennt es das Jahrzehnt der Improvisationen – und leider auch der verstärkten kulturpolitischen Agitation.

Aber das schreckt die Leute nicht ab. Nach der Wende zieht es viele zwar zunächst nach Berlin-West, aber sie kommen zurück. Das Haus wird Stadtteil–, Kultur und Bürgerzentrum. In den 1990ern wird es innen und außen saniert. Das reicht aber nicht. 2010/11 kommt eine gründliche Sanierung – es ist ein Bürgerhaushaltswunsch. Das Treppenhaus wird denkmalgerecht saniert, die technischen Anlagen werden erneuert, der Hof gestaltet. Jetzt zieht auch endlich die Kneipe aus dem Erdgeschoss aus, das Kulturhaus bekommt mehr Platz, behindertengerechte Toiletten und einen Fahrstuhl.

Mehrere Mieter im Kulturhaus

Pachl hofft, dass die Stadt das Haus weiterhin finanziell fördert. Aktuell sind mehrere Vereine als Mieter untergekommen: die Kunstschule Potsdam, die Stadtspieltruppe, der Förderkreis Böhmisches Dorf/Nowawes. Auch im Haus: die alternative Kinderbetreuung der Awo. Gut 50 Kinder kommen hier fast täglich nach der Schule her.

Was das Haus auszeichnet, ist seine Vielfalt: Hier finden Gesundheits- und Sportkurse statt, Computerkurse, Tanz und Musikunterricht, hier proben Chöre. Im Saal finden Vorträge und Theaterveranstaltungen, Konzerte und Kabarett statt. Hier trifft sich die russische Samstagsschule. Die Kunstschule macht Ausstellungen und Potsdamer Eltern schätzen das Puppenspiel für die Kleinsten.

Noch viele Ideen

Pachl sagt, das Haus funktioniert. Manchmal freilich wünscht sie sich weniger strenge Denkmalschutz- und Brandschutzauflagen. Der komplette Dachboden und imposante Turm ist zwar aufwendig saniert – steht aber leer. Sie schwärmt von dem tollen Blick über Babelsberg aus den winzigen Turmfenstern; der originalen mechanischen Turmuhr, die der Hausmeister alle paar Tage aufziehen muss. Und vom kleinen Turmzimmer, in dem früher ein Billardtisch stand und heute nur noch alte Türen lagern. „Ich hätte so viele Ideen, was man damit machen könnte“, sagt die Kulturhauschefin.

Ein Stückchen Historie findet sich übrigens auch in dem Film „Feuerzangenbowle“ mit Heinz Rühmann. Einige Szenen wurden im Turm des Hauses gedreht. Der winterliche Kinoabend mit der „Feuerzangenbowle“ open air im Innenhof gehört zu den Highlights des Kulturhauses.

Tanzfest mit Vorführungen und Anleitungen zum Mitmachen am heutigen Freitag ab 19 Uhr im Hof, der Eintritt ist frei.

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