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Von Erhart Hohenstein: Acht Ecken kommen wieder

„Mitteschön“: Erneuerung der Bauten an einst berühmtester Kreuzung nötig

Innenstadt - Die „Acht Ecken“ sind ein unerlässlicher Bestandteil für die Wiedergewinnung der historischen Mitte Potsdams. Davon geht der Verein „Mitteschön“ in seiner Auflistung von stadtbildprägenden Baudenkmalen aus, die nachgebaut werden sollten, und hat eine Visualisierung der einst berühmtesten Straßenkreuzung der Stadt vorgelegt (PNN berichteten). Die vier Häuser zur Front der Hohewegstraße (heute Teil der Friedrich-Ebert-Straße) und der Schwertfegerstraße (nur im westlichen Teil zum Neuen Markt erhalten) erhielten bogenförmig zurückgesetzte Fronten – dadurch entstanden jeweils zwei Ecken, zusammen also acht.

Diese Gestaltung weitete die Kreuzung zu einem kleinen Platz auf, von dem sich der Blick in alle Richtungen auf bedeutende Bauten öffnete, so die Nikolaikirche, den Marstall des Stadtschlosses und den Kutschpferdestall auf dem Neuen Markt. Der Entwurf für die von 1771 bis 1774 errichteten „Acht Ecken“ wurde Carl von Gontard zugeschrieben, heute werden sie seinem Schüler Georg Christian Unger zugeordnet. Einhellig war jedoch das Lob der Zeitgenossen. Einige Autoren bezeichneten diese Gestaltung als europaweit einzigartig. Da war 1921 der Potsdamer Stadthistoriograph Hans Kania vorsichtiger, denn er kannte aus Rom ein ähnliches Beispiel. Allerdings waren die Eckhäuser der Via delle Quattro Fantane und der Via Venti Settembre geradlinig abgeschrägt und nicht bogenförmig wie in Potsdam.

Im Volksmund entstand die Bezeichnung „Acht Ecken“. Sie ist vielen Potsdamern noch heute geläufig, obwohl drei der vier Häuser aus dem Stadtbild verschwunden sind. Zwei fielen dem Bombenangriff vom 14. April 1945 zum Opfer, die Reste wurden abgerissen. Ihre Standorte wurden später von den Straßenbahngleisen der im Zusammenhang mit dem Neubau der Langen Brücke (1957-1961) veränderten Straßenführung überdeckt. Die Ruine des südwestlichen Eckhauses Schwertfegerstraße 9 hätte neu ausgebaut werden können, bestätigte ein Baugutachten. Dennoch wurden die noch erhaltenen Fassaden 1948 abgebrochen. An dieser Stelle befindet sich jetzt das hässliche, in der DDR-Zeit für die Wasserwirtschaft errichtete Funktionsgebäude. Sein Abriss steht auf der Tagesordnung, zumal der in die Schlossstraße umlaufende Trakt den Standort der geplanten neuen Synagoge tangiert.

Als einziges der Acht-Ecken-Häuser blieb die damals dem Baumeister Gontard direkt zugeschriebene Schwertfegerstraße 7 stehen und wurde 1956/57 wieder ausgebaut. Sie nahm im Erdgeschoss einen Lebensmittelladen und nach der Wende kurzzeitig ein Stoffgeschäft auf. Anfang 2008 öffneten hier die Arztpraxen eines Psychosomatikers und einer Kieferorthopädin, die das Barockhaus gekauft und denkmalgerecht saniert haben.

Dabei wurde die Fassade originalgerecht erneuert. Zum Eingang im Eckbogen führt eine halbrunde Freitreppe. Darüber liegt der durch ein Ziergitter abgeschlossene Balkon, den alte Fotos mit reichem Blumenschmuck zeigen. Er wird von Stuckelementen in Form eines Tuchgehänges und einer Girlande überwölbt. Die beiden Hausseiten erhielten im Sockel ihre Verkleidung mit Bossenquadern (rau belassenen Steinplatten) zurück. Erneuert wurden ebenso die Überbauten (sogenannte Verdachungen) über den Fenstern der Obergeschosse.

Beim Innenausbau wurden im Keller überraschend Gewölbe in holländischem Stil entdeckt, die von einem Vorgängerbau stammen und weit zurückreichen. Sie dienten wahrscheinlich als Weinkeller.

Eine ähnlich aufwendig gestaltete Fassade besaß die Schwertfegerstraße 9; dagegen waren die beiden Gebäude auf der Ostseite schlichter gehalten. Ein Wiederaufbau auch dieser Bauten, für die mit der Verlegung der Straßenbahntrasse in diesem Jahr ausreichend Platz geschaffen wurde, könnte den „Acht Ecken“ annähernd das ursprüngliche Gesicht wiedergeben. Allerdings würde die Straßenbahn die Kreuzung durchfahren. Dies entspricht nicht der früheren Situation. Ursprünglich bog der Schienenstrang an der Südseite des Wilhelmplatzes (Platz der Einheit) von Am Kanal südlich in die jetzt vom Staudenhof überbaute Kaiserstraße (Von-Guericke-Straße) zum Alten Markt ab. Also wurde das Stadtschloss auf der Nord- und Westseite umfahren, bei dem Wiederaufbau wird dies auf der Ost- und Südseite erfolgen.

Erhart Hohenstein

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