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Aus dem GERICHTSSAAL: „Auf einmal zog jemand die Notbremse!“

Prozess wegen versuchten Mordes fortgesetzt / Fünf der sechs Angeklagten schweigen weiter

Auch gestern war der Saal 015 des Landgerichts wieder bis auf den letzten Platz besetzt. Seit dem 20. Dezember vorigen Jahres verhandelt die Schwurgerichtskammer gegen sechs offensichtlich der rechten Szene Zugehörige im Alter zwischen 22 und 32 Jahren wegen versuchten Mordes. Parallel dazu läuft vor der 2. Kammer ein Prozess gegen fünf Jugendliche wegen des selben Tatvorwurfs. Die Staatsanwaltschaft wirft den aus Potsdam und Berlin stammenden Angeklagten vor, in der Nacht zum 3. Juli 2005 in der Friedrich-Ebert-Straße gezielt zwei Studenten, darunter den Vertreter der Antifa-Szene Tamás B. (24), angegriffen und durch Schläge und Tritte lebensgefährlich verletzt zu haben (PNN berichteten).

Während die 18-jährige Sandra C. bereits an einem der ersten Verhandlungstage vor der Jugendkammer gestand, „aus möglicherweise politischem Hintergrund“ eine leere Bierflasche auf dem Kopf von Tamás B. zertrümmert, danach zweimal in dessen Gesicht geschlagen zu haben, hüllen sich fünf der sechs erwachsenen Angeklagten bislang in beharrliches Schweigen. Marcell Sch. aus Berlin gab zu, er habe sich zwar nicht an der Gewaltorgie vor der Bäckerei Braune beteiligt, wäre allerdings bereit gewesen, die Opfer festzuhalten, falls sie zu flüchten versucht hätten.

Gestern war Sandra C. als Zeugin der Schwurgerichtskammer geladen. Nach der Belehrung durch den Vorsitzenden Richter Dr. Frank Tiemann, sich durch eine wahrheitsgemäße Aussage nicht selbst belasten zu müssen, da ihr Verfahren vor der Jugendkammer noch nicht abgeschlossen sei, machte die Blondine von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch. Der dort gleichfalls angeklagte Berliner Sebastian S. (19) hingegen sagte aus. „Wir waren bei einer Feier im Buga-Park und wollten mit der Straßenbahn Richtung Hauptbahnhof fahren. Auf einmal zog jemand die Notbremse.“ Während ein Großteil der Truppe daraufhin nach draußen stürmte, sei er noch etwa 20 Sekunden in der Tram geblieben, so der Fachabiturient. „Ich wollte dann gucken, was los ist und stieg auch aus. Da sah ich eine Gruppe von ungefähr sechs bis sieben Leuten, die im Kreis um zwei Personen herumstanden. Einer von ihnen bekam eine Flasche auf den Kopf und ging zu Boden.“ Laut Staatsanwaltschaft soll dann unter anderem der Angeklagte Oliver O. gegen den Kopf des Bewusstlosen eingetreten haben. Sebastian S. beteuerte gestern allerdings im Zeugenstand, O. habe während der Attacke neben ihm gestanden. Staatsanwalt Peter Petersen forderte, diesen Passus der Aussage wörtlich zu protokollieren, da der Verdacht der uneidlichen Falschaussage bestehe.

Der Prozess gegen die sechs Angeklagten ist vorerst bis Ende März terminiert. Er wird morgen mit der Vernehmung weiterer Zeugen fortgesetzt. Hoga

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