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Täglich Brot. Eine Konditorin und einen Bäcker bildet Bäckerei-Braune-Chef Werner Gniosdorz derzeit aus. Wegen der nächtlichen Arbeitszeiten ist es schwer, Jugendliche zu finden.

© Thomas

Ausbildungsmarkt: Aus weniger mehr machen

Viele Potsdamer Unternehmen spüren derzeit den Mangel an Auszubildenden. Nicht alle Betriebe reagieren darauf gleich

Potsdams größtes Hotel und der kleine, traditionsreiche Handwerksbetrieb der Bäckerei Braune sind auf den ersten Blick sehr verschiedene Unternehmen. Doch bei der Suche nach Nachwuchs stehen sie vor demselben Problem: Wie auch viele andere Betriebe in allen Branchen müssen sie damit klarkommen, dass sich immer weniger junge Menschen um einen Ausbildungsplatz bewerben. Die Reaktionen darauf sind so unterschiedlich wie die Möglichkeiten, die die Unternehmen haben.

Beim Kongresshotel mit seinen etwa 130 Mitarbeitern nimmt Ausbildung schon seit der Eröffnung vor gut zehn Jahren eine wichtige Rolle ein. Derzeit lernen in dem 475-Betten-Haus 32 Auszubildende die Berufe Hotelfachmann, Restaurantfachmann und Koch, sagt Direktorin Angela Führer. In diesem Herbst hätten sogar zwei Azubis mehr angefangen als eigentlich geplant. Die beiden Bewerber hätten so überzeugt, dass es schade gewesen wäre, sie nicht zu nehmen, sagt sie.

Allerdings besitze das Haus durch seine Größe auch eine Ausnahmestellung und könne sich intensiv um die Werbung und Betreuung von Auszubildenden kümmern. „Wir machen ja viel“, sagt sie. So gebe es eine intensive Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur, das Hotel nehme an Infoveranstaltungen an Schulen teil. Regelmäßig seien drei oder vier Schülerpraktikanten im Haus und durchlaufen verschiedene Abteilungen, so Führer. So will man potenziellen Nachwuchs schon frühzeitig an die Branche heranführen. Die Neuntklässler sollen dabei vor allem die Berufsbilder kennenlernen, damit sich keine falschen Vorstellungen aufbauen. Die Abbrecherquote ist in der Gastronomie traditionell hoch.

Doch das Hotel setzt noch früher an: Schüler aus der ersten bis dritten Klasse waren in den Ferienspielen im Haus. „Die haben sich die Küche angeschaut und zugesehen, wie man Cocktails mixt“, sagt Führer. Und sogar eine Gruppe aus einem Kindergarten in Werder war schon zu Besuch. „Von nichts kommt nichts.“

Doch trotz allem ist die Veränderung auf dem Ausbildungsmarkt auch für das Hotel spürbar. „Früher haben wir wegen der besseren Sprachkompetenz nur Bewerber mit Abitur genommen“, sagt Führer. Doch Abiturienten zieht es mittlerweile meist zum Studium statt in eine Ausbildung. Die schlechteren Fremdsprachenkenntnisse versuche das Hotel durch Nachschulungen in zusätzlichen Sprachkursen auszugleichen. Man sei heute offener als noch vor zwei oder drei Jahren, auch für leistungsschwächere Schüler, so Führer.

Was das Hotel tut, deckt sich auch mit den Empfehlungen der der Industrie- und Handelskammer (IHK). Vielen Jugendlichen seien regionale Unternehmen genauso wenig bekannt wie Berufsbilder, sagt Wolfgang Spieß, der bei der IHK für Bildung zuständig ist. Angesichts der kleineren Jahrgänge durch den Geburtenrückgang in den 1990er-Jahren müsse man das Potenzial besser ausschöpfen. „Die Zahl der Schulabgänger wird nicht mehr steigen“, sagt er.

Kontaktpflege, Betreuung, Nachschulung – solche Möglichkeiten hat nicht jedes Unternehmen. „Für kleine ist das deutlich schwieriger“, sagt Hotelchefin Führer. „Wann soll sich denn ein kleiner Handwerksbetrieb darum kümmern?“

So ein kleiner Betrieb ist die Bäckerei Braune in der Friedrich-Ebert-Straße. Seit mehr als 160 Jahren gibt es sie. Holzgetäfelte Wände, ein großer Seitenspiegel, Tüllgardinen über dem Schaufenster – das Interieur aus den 1930er-Jahren steht für Tradition. Nachwuchs für den Bäckerberuf zu finden, war schon in den vergangenen Jahrzehnten wegen der üblichen Nachtarbeit schwerer als in anderen Branchen. Doch die Lage hat sich verschärft. „Die Zahl der Bewerber nimmt rapide ab“, sagt Inhaber Werner Gniosdorz. Dabei habe der Beruf auch seinen Charme: Man sehe die Produkte seiner Arbeit und es gebe einen kreativen Anteil. „Das macht dann schon mal Spaß“, sagt er. Aber es sei nicht nur die Anzahl, sondern auch die Qualität der Bewerber, die häufig zu wünschen übrig lasse. „Ich sehe oft katastrophale Zeugnisse: schlechte Noten, viele Fehlstunden.“ Solche Bewerber lade er erst gar nicht zum Gespräch ein.

Gniosdorz ist auch stellvertretender Obermeister der Potsdamer Bäcker-Innung. Anderen Betrieben gehe es genauso. Dabei tue man sich in Potsdam noch vergleichsweise leicht. Die Abwanderung in den 1990er-Jahren war nicht so dramatisch wie in anderen Städten. Außerdem kommt Potsdam wegen seiner guten Verkehrsanbindung auch für Azubis aus dem Umland infrage. Dennoch fehlt Gniosdorz derzeit ein Azubi im Lehrjahr. Er bildet derzeit einen Bäcker im zweiten Lehrjahr aus. Eine Konditorin hat in diesem Herbst die Ausbildung begonnen.

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