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Homepage: Brüche und Umbrüche

Der Historiker Professor Martin Sabrow ist neuer geschäftsführender Direktor des ZZF

Der Historiker Professor Martin Sabrow ist neuer geschäftsführender Direktor des ZZF Von Lene Zade Es gibt sie, Momente, in denen als unveränderbar angenommene historische Bedingungen ins Wanken geraten oder sich gar auflösen. Als die DDR-Regierung überraschend die Mauer öffnete, war dies der Auftakt des rasant schnellen Abbaus eines Staates, dessen behauptete Illegitimität nach 40 Jahren nicht mehr als eine Worthülse zu sein schien. Der Geschichts- und Deutschlehrer Martin Sabrow ahnte damals noch nicht, dass er sich einmal eingehender mit der inneren Erosion der deutschen „Konsensdiktatur“, wie er die DDR aus heutiger Sicht bezeichnet, beschäftigen würde. Noch weniger konnte er voraussehen, dass er einmal zum Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) in Potsdam ernannt werden würde. Lediglich die Wahl des Wohnhauses in Zehlendorf, von dem aus er sowohl seine damalige wie seine heutige Arbeitsstätte leicht erreiche, könne mit einigem rhetorischem Geschick als Vorausdeutung gelesen werden. Allzu einfach ließe sich sein beruflicher Werdegang biografisch nicht herleiten, konstatiert der Ende Februar 2005 offiziell in sein Amt eingeführte Historiker. Als Kind eines Zeitalters, dem der Fortschrittsgedanke abhanden gekommen sei, interessieren ihn eher die Brüche in Biografien und die Umbrüche in historischen Abläufen, insbesondere das Verhältnis von Kontingenz und Geschichtsschreibung. Lieber als über das eigene Leben spricht er über die Konstruktionsmechanismen von Geschichte(n) und über die Lust, mit ironischer Distanz und nötigem Ernst auf historische Phänomene zu blicken. Nach dem Studium der Geschichte, Germanistik und Politologie in Kiel und Marburg kam Sabrow als Studienreferendar nach Westberlin, eine Planstelle als Studienrat schlug er allerdings aus. Stattdessen engagierte er sich in Projekten der „Public History“, unter anderem im Museumspädagogischen Dienst. 1982 trat er dann doch eine Stelle als Studienrat an und versuchte nun Schülern Geschichte zu vermitteln, indem er die Vergangenheit in ihrer Entstehung begreifbar machte. Manchmal sind es ganz nahe liegenden Anlässe, die Kreise ziehen und Wellen schlagen. Im Falle Sabrows war es der Name der Schule, in der er arbeitete, des Walter-Rathenau-Gymnasiums, der zum Auslöser seiner späteren wissenschaftlichen Karriere wurde. Am Anfang stand eine kleine, mit den Schülern erstellte Ausstellung zum 120. Geburtstag Rathenaus im Jahre 1987, die eine größere Ausstellung im Zeughaus initiierte und die Sabrow auf die Spur eines Promotionsthema brachte. 1993 schloss er seine Dissertation über die Hintergründe der Mordserie an führenden Politikern der Weimarer Republik ab und bekam das Angebot als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Forschungsschwerpunkt Zeithistorische Studien, dem heutigen ZZF, eine Untersuchung zur Geschichtswissenschaft in der DDR durchzuführen. Unterbrochen von Lehraufträgen und Gastprofessuren in London und München forscht der heute 50-Jährige seither in Potsdam und steht für einen kulturwissenschaftlichen Blick auf die Zeitgeschichte, der sich auch für Phänomene der Politisierung interessiert. Warum etwa haben die schon sinnbildlichen Warteschlangen in der DDR nicht viel mehr Unmut erzeugt, wie konnte dieser Staat ohne charismatische Führer überhaupt so lange auf das Einverständnis seiner Bürger bauen? Ein weiterer Schwerpunkt seiner Forschungen richtet sich auf den Wandel der Erinnerungskultur im 20. Jahrhundert. Im kommenden Semester wird Sabrow, der gleichzeitig eine Professur an der Universität Potsdam innehat, über die Entwicklung der Vergangenheitsbewältigung in Deutschland zwischen 1870 und der Gegenwart eine Vorlesung halten. Als Direktor des ZZF stehen dem Familienvater harte Zeiten bevor. Schon bei seiner offiziellen Amtseinführung wurde er von den Laudatoren nachdrücklich auf die brisante Situation in der Potsdamer Wissenschaftslandschaft hingewiesen. In zwei Jahren werden die vorhandenen Förderstrukturen für das Zentrum auslaufen, bis dahin sind er und sein Co-Direktor Professor Konrad H. Jarausch gefordert, eine stabile Grundsicherung des Hauses zu gewährleisten. Eine Situation, die Sabrow in seiner Antrittsrede in das Bild eines morschen Schemels fasste, den ihn die Politik als Sitzgelegenheit in seinem Amte hat vorfinden lassen. Die Chancen, wie sie gerade Potsdam mit seiner bewussten Halbdistanz zu Berlin und der Etablierung eines Zentrums des intellektuellen Austausches durch die verschiedenen außeruniversitären Einrichtungen am Neuen Markt biete, sollten nicht vertan werden. Zumal gerade Potsdam in jeder Ecke Geschichte atme und die Vergangenheit in vielfältiger Brechung repräsentiere. Gerade in dieser Gebrochenheit läge auch eine Chance für den Historiker, sie zwinge ihn zur Bereitschaft, sensibel mit der Geschichte umzugehen und ihre Multiperspektivität, ihre Vieldeutigkeit und Uneinheitlichkeit zu reflektieren.

Lene Zade

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