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Homepage: Das Augenlicht wiedergewonnen

Joachim Storsberg hat am Fraunhofer-Institut eine künstliche Hornhaut für das Auge entwickelt

Es gab einen Punkt, an dem Joachim Storsberg die ganze Forschungsreihe abblasen wollte. „Die Ergebnisse waren einfach zu widersprüchlich, es war ganz anders als in der Literatur, die wir bei der Versuchsreihe zugrunde gelegt hatten“, erklärt der Chemiker vom Fraunhofer Institut für angewandte Polymerforschung in Potsdam-Golm. Doch letztlich erreichte er sein Ziel. Joachim Storsberg hat mit seinem Team eine künstliche Hornhaut für das mesnchliche Auge entwickelt. Der Wissenschaftler hat die Lösung für ein Problem gefunden, an dem Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten geknobelt hatten. Mit der von ihm entwickelten Prothese bringt er einen Hoffnungsschimmer für viele weltweit betroffene Patienten. Im vergangenen jahr erhielt er dafür den Joseph-von-Fraunhofer Preis.

Einen Hang zur Medizin hatte der heute 45-jährigen Wissenschaftler schon zu seiner Schulzeit in Wörrstadt entwickelt. „Medizin wäre an sich mein erster Studienwunsch gewesen, aber ich hatte Angst vor den Toten und dem Sezieren“. Also studierte Storsberg in Mainz Chemie, vertiefte sein Wissen mit Stipendienaufenthalten in Toronto und Belgien, promovierte und begann schließlich im Jahr 2005 am Fraunhofer Institut in Potsdam mit der Forschung an einer neuartigen Augenlinse. Es zeigte sich schnell, dass er den richtigen Ansatz gewählt hatte, denn bereits zu Beginn wurde die Forschung als eines von „100 Projekten der Zukunft“ ausgezeichnet. 36 Monate dauerte das Forschungsvorhaben: „Artificial Cornea fort he human eye“, an dem insgesamt zwölf Unternehmen und wissenschaftliche Institute beteiligt und ständig etwa 20 Beteiligte eingebunden waren. „Trotzdem wussten wir zuerst nicht, in welcher Richtung wir forschen sollten“, gesteht Storsberg. Erhebliche Schwierigkeiten bereiten die widersprüchlichen Anforderungen, die eine künstliche Hornhaut für das Auge erfüllen muss. Einerseits muss sie an den Ränder anwachsen und im Auge fest verankert sein, damit sie nicht ständig verrutscht. Andererseits darf sie aber auch nicht zuwachsen, damit die Sehfähigkeit ungetrübt erhalten bleibt. Tränenflüssigkeit ist notwendig, damit sich das Auge reibungslos bewegt, anderseits darf sich die Linse aber auch nicht mit Flüssigkeit voll saugen. An der Unvereinbarkeit dieser widersprüchlichen Anforderungen waren bisher noch alle Forschungsvorhaben gescheitert.

Zwar ist es schon seit Beginn des vergangenen Jahrhunderts kein sonderliches Problem mehr, eine Spenderhornhaut auf einen anderen Patienten übertragen. Das schaffte bereits 1905 der Augenarzt Eduart Zirm im heutigen Tschechien. Eine völlig neue Hornhaut auf künstlicher Basis herzustellen gelang bisher allerdings noch nicht. Da jedoch bei weitem nicht für alle rund 7000 Patienten, die in Deutschland auf eine Spenderhornhaut warten, ein Ersatz vorhanden ist, geben die positiven Ergebnisse des Cornea Projektes Anlass zur Hoffnung.

Dennoch bremst Storsberg allzu hoch fliegende Erwartungen: „Das ist zunächst einmal eine Ultima Ratio Lösung für Patienten, bei denen alle anderen Methoden versagt haben“. Ob das Implantat irgendwann einmal in größerem Umfang industriell gefertigt werden kann, weiß Storsberg nicht. Bisher wird jede einzelne Prothese individuell gefertigt, nachdem ein Arzt zuvor erklärt hat, dass es keine andere Lösung gebe.

Aber es gibt für Storsberg auch keinen Grund bewusst tief zu stapeln, denn die bisherigen Erfahrungen mit der Augenprothese sind rundweg positiv. Nachdem zunächst besonders geeigneten großen weißen Kaninchen, den „New Zealand White Rabbit“, die künstlichen Häute eingepflanzt worden waren, wurde Form und Beschichtung der Linse weiter modelliert. In diesem Jahr haben mehrere Patienten ihr Augenlicht durch die eingepflanzte Implantate zurück erhalten und können wieder sehen. Die ersten Operationen liegen mittlerweile einige Monate zurück. Abstoßungsreaktionen, wie sonst bei künstlichen Prothesen häufig, sind ausgeblieben. Wie das Auge längerfristig auf die Prothese reagiert, lässt sich in der bisher kurzen Anwendungszeit nicht sagen.

Die positiven Ergebnisse verdanken die Patienten der Hartnäckigkeit Storsbergs, der auch weiter forschte, als er seine Beobachtungen nicht mit der bisherigen Forschungsliteratur in Einklang bringen konnte. Verschiedene nacheinander aufgetragene Polymerbeschichtungen, die teilweise schon vorher für Intraokularlinsen verwendet wurden, sorgen nun dafür, dass die Linse auf die Benetzung mit Flüssigkeit in der gewünschten Weise reagiert.

Den Wendepunkt im Forschungsvorhaben brachte allerdings die Idee, ein besonderes Protein am Rand der Linse aufzutragen: „Das Protein löst eine ganze Kaskade von Reaktionen aus. So kann die Prothese in das Auge einwachsen“. Dennoch ist der Chemiker weit davon entfernt, seine weltweit beachteten Forschungsergebnisse zu glorifizieren. „Nichts ist besser als die Natur. Wenn eine Spenderhornhaut vorhanden ist, sollte auf jeden Fall diese genommen werden“, meint der Potsdamer Forscher.

Joachim Storsberg spricht zur Sonntagsvorlesung Potsdamer Köpfe am 23. Januar über, neue Biomaterialien für die Augenheilkunde, 11 Uhr, Kutschstall, Am Neuen Markt 9.

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