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Landeshauptstadt: Das deutsche Hollywood

Babelsberg sollte zur Filmstadt ausgebaut werden und ein neues Stadtzentrum erhalten

„Zu Ihrer Reihe ,Luftschlösser“: Mein Vorschlag wäre das Projekt Filmstadt Babelsberg. Hierbei geht es um monumentale Planungen der Nazis von 1937 bis 1943 für diverse Bauten zwischen dem Bahnhof Griebnitzsee und den Filmstudios. Das einzige Gebäude, das tatsächlich gebaut wurde, war das Präsidialgebäude des Roten Kreuzes.“ – E-Mail des PNN-Lesers Ulrich Damerau, Potsdam

Die PNN fanden für dieses Thema einen kompetenten Partner: den Politikwissenschaftler Markus Wicke. Er hat seine Magisterarbeit über das Deutsche Rote Kreuz im „Dritten Reich“ geschrieben und sich in diesem Zusammenhang auch mit der Geschichte des DRK-Präsidialgebäudes befasst. Der riesige, 196 Meter lange Trakt war „auf besonderen Wunsch des Führers“ am Bahnhof Ufastadt (heute Griebnitzsee) errichtet worden, wo sich bereits das DRK-Hauptlager befand, „um so für einen Kriegsfall durch Zentralisierung der obersten Dienststelle arbeitsmäßig gerüstet zu sein“. Heute dient das Gelände der Juristischen sowie der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam.

Seine Recherchen führten Markus Wicke zwangsläufig zum Projekt Filmstadt Babelsberg, das in Schriften über die UFA und zur Babelsberger Stadtgeschichte nur eine bescheidene Rolle spielt. Es hat ihn so fasziniert, dass er inzwischen aus Archiven eine Fülle von Fakten zusammengetragen hat, die das gigantische Ausmaß und die Details des Vorhabens verdeutlichen.

Am Anfang stand der Wunsch von Propagandaminister Goebbels, in Babelsberg die erste Filmakademie der Welt zu gründen. Verbunden mit von dem Architekten Otto Kohtz entworfenen neuen Zweckbauten auf dem UFA-Gelände, so vier Spielfilmateliers, und der Konzentration der Filmschaffenden sollte der Ort zur wichtigsten Filmstadt neben Hollywood werden. Diese Zielstellung ging dem Kämmerer der 1938 durch den Zusammenschluss von Nowawes und Neubabelsberg entstandenen Stadt, Dr. Thiele, nicht weit genug. Er forderte eine „repräsentative Ausgestaltung der Stadt“, die den östlich an die Altstadt angrenzenden Gebieten bis über die heutige August-Bebel-Straße hinaus ein völlig neues Gesicht gegeben hätte. Goebbels ging darauf ein, und so wurde unter dem „Protektorat des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda“ 1938 ein Ideenwettbewerb ausgeschrieben.

Thieles Vorgaben belassen es nicht bei der Reichsfilmakademie, einer Reichstheaterakademie, den Neubauten auf dem UFA-Gelände, einem Kulturfilminstitut, Archiven, Studienheimen, Filmhotel, einem großen Lichtspielhaus, einem Theatermuseum, die alle einer Filmstadt zuzuordnen wären. Vielmehr sollte ein komplett neues Stadtzentrum entstehen, mit Rathaus, Verwaltungsgebäude für die örtliche Parteileitung der NSDAP, Stadthalle, Post, Bank, Ladenpassagen, Geschäftshäusern, Restaurants und Cafés, Schwimmstadion, Schwimmhalle und anderen Sportanlagen. Die Wohnbebauung war nicht auf die damals 34 000 Einwohner, sondern auf die künftige Entwicklung Babelsbergs ausgelegt. Für die Bahnhöfe Griebnitzsee und Drewitz waren neue Empfangsgebäude vorgesehen, der niveaugleiche Bahnübergang sollte durch eine Unterführung oder ein Brückenbauwerk abgelöst werden. Argwöhnisch beobachtete Potsdams Oberbürgermeister Hans Friedrichs die geplante Aufwertung der Nachbarstadt als „Zusammenfassung all dessen, was das Filmschaffen ausmacht“. Es gelang ihm, für den 1. April 1939 die Eingemeindung Babelsbergs nach Potsdam durchzusetzen.

Den Ideenwettbewerb gewann der prominente Düsseldorfer Architekt Prof. Emil Fahrenkamp. Generalbauinspektor Albert Speer kritisiert zwar die „sehr trockene Architektur“ seines Entwurfs, setzt Fahrenkamp aber als Verantwortlichen für den Bau der Filmstadt ein. Er sei „der städtebaulichen Planung am meisten gerecht“ geworden. Politikwissenschaftler Markus Wicke kann einige der damaligen Entwurfsansichten vorlegen. Sie strahlen die Kälte der nationalsozialistischen Monumentalarchitektur aus. Unfassbar, dass dafür die stillen Straßen mit ihrer abwechslungsreichen Bebauung und dem schönen alten Baumbestand geopfert werden sollten. Doch die Filmstadt Babelsberg blieb ein Luftschloss. Nachdem bis 1940 die Entwürfe mehrfach überarbeitet worden waren, stoppte der Zweite Weltkrieg alle Pläne. Nur das kriegswichtige DRK-Gebäude wurde bis 1943 fertig gebaut.

Wer einen bisher nicht verwirklichten Architektur-Entwurf für die PNN-Serie „Luftschlösser“ vorschlagen möchte, meldet sich unter Tel.: (0331) 2376 134, Fax: (0331) 23 76 300 oder per E-mail an lokales.pnn@pnn.de.

Erhart Hohenstein

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