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Sport: Der Reservist

Andreas Barucha aus Potsdam flog gestern als Ersatzmann für die beiden deutschen Viererbobs nach Turin

Die Vorfreude war groß, als Deutschlands Viererbob-Anschieber gestern in die Olympiastadt Turin flogen. Bei einem aber hielt sie sich in Grenzen: beim Potsdamer Andreas Barucha – Barucha erlebt die Olympischen Winterspiele nur als Ersatzmann. „Es ist schön, dass ich hinfliege. Das war es zunächst aber auch“, gestand er vorm Abflug freimütig.

Der 26-Jährige hatte eigentlich schon eine ganze Weile „insgeheim damit gerechnet, dass es mit meinem Piloten im Vierer nicht für Turin klappen wird“. Baruchas Pilot Matthias Höpfner vom SC Riesa erkämpfte sich in den Weltcup-Rennen der Saison zwar mit seinem Zweierbob-Partner Marc Kühne das zweite Olympia-Ticket neben dem Duo André Lange/Kevin Kuske (Suhl/Potsdam) vom BSR Rennsteig Oberhof. Im großen Schlitten aber war kein Vorbeikommen an der Crew um den Winterberger Steuermann René Spies, den größten Kontrahenten um Startplatz zwei neben dem bereits früh gesetzten Lange-Vierer. Als Höpfner & Co. in Cortina d’Ampezzo sogar auf Platz zwei fuhren, fehlte der Winterberger, „und in den direkten Vergleichen lag Spies halt immer vor uns“, räumt Barucha ein. „Ich hatte aber gehofft, dass am Ende unter den Anschiebern beider Vierer nochmal ein Test erfolgt, um vielleicht doch noch in den Olympia-Vierer zu kommen.“ Dass der Bob- und Schlittenverband für Deutschland nach den Weltcup- und EM-Rennen in St. Moritz aber entschied, Spies pauschal mit seiner Stamm-Besetzung für Turin zu nominieren, „damit muss ich nun leben“, sagt der Potsdamer mit dem Spitznamen „Atze“.

Barucha war einst Hürdensprinter des SC Potsdam, ehe er 1999 seinem zwei Jahre älteren Bruder Stefan zu Anschubtests bei Matthias Benesch nach Altenberg folgte, „wo ich mich nicht ganz blöd anstellte und deshalb sportlich umsattelte“. Seine jetzige Rolle in Cesana glaubt er zu kennen. „Den Bob für den Wettkampf vorbereiten wird jede Mannschaft für sich. Das Bewegen der Bobs und Verladen der Geräte wird dann wohl mit meine Aufgabe sein.“ Außerdem wird der Sportsoldat „Gewehr bei Fuß“ stehen, um in eines der beiden deutschen Vierer-Teams zu rücken, wenn einer der Anschieber ausfallen sollte.

„Ich könnte bis zuletzt, also noch bis zum vierten Lauf, eingesetzt werden“, weiß Barucha, in dessen Brust in der kommenden olympischen Woche zwei Herzen schlagen werden. Zum einen wünscht er keinem der Kollegen etwas Schlechtes, zum anderen wäre eines andern Pech möglicherweise sein Glück Mit den Vierern um Lange und Spies extra trainieren wird er für den Fall der Fälle aber nicht. „Das müsste dann halt klappen, da müsste man auf die Erfahrungen des Ersatzmanns bau- en“, meint der Potsdamer und erklärt: „Ich habe schon auf allen Positionen geschoben, auf zwei und drei, vorn und hinten, links und rechts – am Ende ist alles ähnlich.“ In der vergangenen Woche übte er in Oberhof noch einmal alle Positionen, ehe er sich bis diesen Donnerstag bei seinem Athletiktrainer Carsten Embach im heimischen Potsdamer Luftschiffhafen weiter fit hielt. „Er hat hier bis zuletzt ordentlich sein Programm gemacht und sich nicht zurückgenommen“, lobte Embach gestern. „Dazu ist Atze viel zu professionell. Der reiste jetzt nicht als Tourist nach Turin.“

Auch wenn Barucha in Cesana ohne Einsatz bleiben sollte – seine Bob-Laufbahn will er anschließend fortsetzen. „Mit meinem Junioren-WM-Titel von 2002 und EM-Bronze 2005 bei den Männern sieht meine Bilanz ja noch nicht so üppig aus“, räumt der Potsdamer ein. Sein nächstes großes Ziel ist die WM 2008 in Altenberg. „Das ist ein richtig großer Anreiz für mich, denn Altenberg ist meine Hausbahn, auf der ich bisher auch am erfolgreichsten war. Da wurde ich EM-Dritter und in diesem Jahr beim Weltcupfinale Zweiter“, meint der Unteroffizier der Sportfördergruppe, der als sehr ruhiger Zeitgenosse gilt und selbst meint: „Bei mir wird viel durch den Kopf gesteuert“. Bleibt er von größeren Wehwehchen verschont, „könnte sogar Olympia 2014 mein Ziel sein“, glaubt er. „Dann wäre ich 34. Alexander Metzger aus dem Spies-Bob, mit dem ich in Potsdam trainiere, ist jetzt auch schon 33.“

Nun ist aber zunächst Turin aktuell. Daheim wünschen Baruchas Freundin Anja, sein derzeit verletzt pausierender Bruder Stefan – der 2002 im Langen-Vierer durch eine Verletzung seines Piloten nach zwei Olympia-Läufen aus allen Träumen gerissen wurde – und die ganze Familie das Beste für Andreas. Der drückt erst einmal ab heute an der Bobbahn die Daumen, wenn zum Auftakt der Zweier-Entscheidung sein Pilot Matthias Höpfner mit Startnummer acht zu Tale saust.

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