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Schlangen helfen entspannen: Rainer Kwasis gewaltige Pythons ließen Lena Golub eine Rückenmassage angedeihen.

© Manfred Thomas

Landeshauptstadt: Der Schlangenflüsterer

Rainer Kwasi führte in der Biosphäre Massagen durch – mit Pythons

Lena Golub wäre wohl nur ein kleines Mittagessen für das fünf Meter lange geschuppte Ungetüm, das auf ihren zierlichen Schultern herumkriecht. Mit Leichtigkeit könnte die Tigerpython ihr Maul zu einem gewaltigen Schlund ausklinken und die zarte 29-Jährige nach und nach verschlingen, so wie es ihre Artgenossen mit Ziegen oder gar Krokodilen tun. Doch trotzdem blickt die Polin sehr entspannt drein, während sich die Riesenschlange – etwa vier Mal größer und zwanzig Kilo schwerer als sie – gemächlich an ihrem Hals entlang windet.

Rainer Kwasi ist Herr über das gewaltige Reptil namens Brosche, das am Samstag in der Biosphäre vor den erstaunten Augen vieler Besucher Golubs Schultern massiert. „Ich habe sehr großes Vertrauen in ihn“, sagt sie. Und dazu hat sie allen Grund. Denn der bekannte Aktionskünstler, der schon vor fünf Jahren mit 17 Riesenschlangen rund um die Uhr in einem gläsernen Raum am Alexanderplatz lebte, kennt die dunkelhäutige Python sehr gut. Seit 22 Jahren arbeitet er schon mit Schlangen zusammen und wohnt mit elf von ihnen im brandenburgischen Wendemark in einem Gutshaus. Dort weilen sie nicht in für Reptilien üblichen Terrarien, sondern kriechen frei durch die zahlreichen Räume, seine „Begegnungsstätte für Mensch und Reptil“. Und nun überwacht der 48-Jährige, dessen etwas befremdliche Kleidung an einen nomadischen Wüstenbewohner erinnert, Brosches Massagebewegungen.

„Schlangen sind sehr faszinierende Geschöpfe“, erläutert Kwasi. „Und diese Faszination möchte ich den Menschen vermitteln, ihnen ihre Angst nehmen, ohne dass sie den Respekt vor diesen Reptilien verlieren.“ Der sehnige Schlangenexperte – „normalerweise von vielen als Freak betrachtet“, wie er sagt – sieht sich selbst aber eher als Grenzgänger mit einer Mission: Er will den Menschen ihre Angst nehmen und ihnen „ein Urvertrauen in diese Wesen“ geben. Das geht am besten, indem er die Besucher mit den Schlangen interagieren lässt. „Denn Schlangen sind keine furchtbaren Monster, sie helfen auch den Menschen“. So sei Schlangengift Bestandteil vieler Medikamente. Sogar sexuell misshandelte Jugendliche könnten sie therapieren. Oder aber sie helfen bei Muskelverspannungen, wie bei Lena Golub.

Nach der Massage wirkt die grazile Dunkelhaarige, selbst Shiatsu-Masseuse, etwas benommen. „Jetzt bin ich mehr als entspannt“, sagt die junge Frau lächelnd. „Ich glaube, so gut wurde ich noch nie massiert. Das liegt an diesen sanften, eigenartigen Bewegungen.“ Sieht man sie als potenzielles „Mittagessen“ von Brosche, so wäre Maurice Kassau eher ein kleiner Snack für das 75 kg schwere Kriechtier. Kurz nach der Reptilien-Massage hilft der Fünfjährige dem Schlangenexperten noch mutig beim Auspacken der Schlange aus einem Leinensack, nun sitzt er etwas kleinlaut mitten in einem sich windenden und zischenden Knäuel aus geschuppter Haut. Nachdem er aber letztlich doch nicht verspeist wurde, freut sich der Junge lautstark: „Das war total cool!“ Neben den verdutzten Blicken der Biosphäre-Besucher wurde die ungewöhnliche Massage auch von einem Kamerateam des Dresdner Hygienemuseums beobachtet. Der Film ist für die neue Ausstellung „Was ist schön?“ konzipiert. Ab 26. März finden dort Besucher Antwort auf die Frage, warum auch Schlangen schön sind. Für Kwasi ist die Antwort klar: „Mich fasziniert die innere Schönheit der Schlangen.“ So seien sie nicht dressierbar und damit auch nicht manipulierbar. „Jede Schlange hat einen eigenen komplexen Charakter.“ Zum Glück versteht der „Schlangenflüsterer“ seine Schützlinge sehr gut. Sonst wäre aus Lena Golub vielleicht wirklich ein Mittagessen geworden. Martin Gätke

Martin Gätke

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