zum Hauptinhalt

Sport: Die fetten Jahre sind vorbei

Biathletinnen haben ein Nachwuchsproblem

Berlin - Das Gesamtbild des deutschen Frauenbiathlons löst bei den zuständigen Chefs in diesem Winter zwar ordentliches Magengrummeln aus – in einem nicht unerheblichen Punkt ist die aktuelle Lage aber sogar positiver, als zu Saisonbeginn angenommen. Verantwortlich dafür ist die 22-jährige Ex-Langläuferin Miriam Gössner, die beim Schießen oft noch eine gewaltige Streuung aufweist, dazwischen aber stets mit einem Tempo durch die Wälder saust, dass den Konkurrentinnen Hören und Sehen vergeht.

In dem Maße abzusehen war das nicht unbedingt – sagt zumindest Uwe Müssiggang. „Die Situation war vor dem Winter ein bisschen schwierig für uns“, erzählt der frühere Frauencoach und heutige Bundestrainer der Biathleten – denn: „Mit Magdalena Neuner hatten wir über vier Jahre hinweg immer die schnellste Läuferin in der eigenen Mannschaft. Diesmal dagegen war uns nicht ganz klar, was da auf uns zukommen würde.“ Diese Ungewissheit immerhin ist mittlerweile beseitigt, dank Gössner. „Mit ihr haben wir eine, an der sich die anderen immer aufbauen und orientieren können. Sie ist das Maß aller Dinge“, so Müssiggang, der aber zugleich weiß: Im Großen und Ganzen werden sich die Dinge für die deutschen Biathletinnen, die zum Auftakt der Weltcupstation in Ruhpolding am Mittwochabend ihren dritten Platz in der Staffel von Oberhof bestätigen wollen, nicht so glücklich fügen.

Schon der frühere Langlauf-Bundestrainer Jochen Behle beklagte, gerade dem weiblichen Nachwuchs fehle es zunehmend an der Bereitschaft, sich im Training über Jahre hinweg zu quälen. „Da gebe ich ihm recht“, sagt Gerald Hönig, Müssiggangs Nachfolger als Cheftrainer der deutschen Biathletinnen. Noch, so seine These, zehrten die Drahtzieher in seinem Bereich von der Vorbildwirkung einer Kati Wilhelm oder Magdalena Neuner. „Aber trotzdem wird es auch für uns von der Talentsichtung her immer schwerer. Da muss man sich in Deutschland sicher einiges überlegen – auch was die Qualität des Schulsports angeht“, fordert Hönig. „Ich glaube“, sagt er, „dass eher Mädels als Jungs dazu tendieren, die sichere Variante über Ausbildung, Beruf oder Studium zu gehen – anstatt sich dem Sport mit aller Konsequenz zu stellen.“

Ein grundsätzliches Problem, für das es – wenn überhaupt – keine einfache Lösung geben kann. „Wir machen uns viele Gedanken“, sagt Müssiggang. Der Chef erwähnt den bewusst verschärften Konkurrenzkampf zwischen den Juniorinnen und jenen Biathletinnen, die seit Jahren auf dem Sprung ins Weltcup-Team sind, ihn aber nie wirklich hinbekommen haben. Er will seine Branche „anderen Disziplinen öffnen und dort nach echten Bewegungstalenten suchen – auch schon im Bereich der Zehn- bis Zwölfjährigen.“ Der Fußball gilt Müssiggang dabei durchaus als Vorbild. „Dort machen sie schon mit 13-Jährigen Verträge“, sagt er. „Das wollen wir aber nicht.“

Zumal nicht so viele junge Frauen wie erhofft zum Biathlon schauen. Den Versuch, die wintersportliche Vorzeigedisziplin mit Talenten aus dem Langlaufbereich zu füttern, gibt es seit dem letzten Winter. „Zwei haben gewechselt, da hätten wir ein bisschen mehr erwartet“, sagt DSV-Generalsekretär Thomas Pfüller und bekennt: „Und bis zu den Winterspielen im nächsten Jahr wird sich daran auch nichts ändern – deshalb müssen wir jetzt schon mal an Olympia 2018 denken.“A. M.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false