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Homepage: Die Kunst der Balance

Die „freybeuter“ von Potsdam: Vier FH-Studenten in den unruhigen Gewässern der Selbstständigkeit

Die „freybeuter“ von Potsdam: Vier FH-Studenten in den unruhigen Gewässern der Selbstständigkeit „Eigentlich wollten unsere ersten Auftraggeber einen echten Panzer in die Brandenburger Straße stellen, um auf die Ausstellung aufmerksam zu machen." Björn Gripinski spricht vom ersten großen Projekt der Ausstellungsdesigner „freybeuter“. Aus gestalterischen Gründen und weil das Thema 17. Juni so sensibel sei, habe man sich für eine Glasbox mit einem Schattenspiel entschieden. Wer heute Ausstellungen gestaltet, der braucht beides: Ideen, die bewegen und Fingerspitzengefühl. Die Balance zu finden ist eine Kunst. Im Sommer 2003 gestalteten die Studenten der Fachhochschule die Ausstellung „Freiheit wollen wir! - Der 17. Juni 1953 im Land Brandenburg“ für das Potsdam-Museum. Ein empfindliches Thema, bei dem das knallige Orange des freybeuter-Entwurfs nicht unumstritten war. Doch das Konzept der Projektgruppe kam gut an bei den Besuchern und trug entscheidend zum Erfolg der Ausstellung bei. Björn Gripinski sitzt im Großraumbüro der jungen Firma und schenkt Kaffee ein. Er zeigt Fotos der Ausstellung und erzählt wie alles anfing. Nicht einmal zwei Jahre sind seitdem vergangen. Viele Aufträge und einige Gründerwettbewerbe später sind die freybeuter heute eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) mit einer sehenswerten Liste von Kunden. Darunter waren bisher beispielsweise die Stadt Brandenburg, die Kulturhauptstadt Potsdam 2010 GmbH, aber auch mittelständische Unternehmen wie die Jetcar Zukunftsfahrzeug GmbH. Björn Gripinski, Michael Barth, André Henze und Stefan Charné haben den Sprung ins undurchsichtige Wasser der Selbständigkeit gewagt. Als studentische Arbeitsgruppe fing 2003 alles an. „Ende des Jahres begannen wir dann unseren Businessplan zu schreiben“, erzählt Björn Gripinski. Bei ihrem ersten Businessplan-Wettbewerb wurden sie gefragt, ob sie Gründernaturen seien und sich vorstellen könnten rund 60 Stunden pro Woche zu arbeiten. Die Zahl war nicht zu hoch gegriffen. In der Gründungsphase arbeiteten sie täglich um die zwölf Stunden, vor allem die Organisation nahm etwa 80 Prozent ihrer Zeit in Anspruch. Nach dem ersten Wettbewerb hatten die „freybeuter“ ihre Geschäftsidee fertig. „Wir bieten Gestaltung für Ausstellungen, Museen und Messen", formuliert Björn Gripinski das Programm der Firma. Er fügt nicht hinzu, dass ihr Design innovativ oder außergewöhnlich ist. Das versteht sich von selbst. Alle freybeuter haben schon in Agenturen gearbeitet bevor sie sich selbständig machten. Die starren Strukturen, die sie in anderen Agenturen kennen gelernt haben, wollen sie in ihrer Firma vermeiden. „Wir verstehen uns nicht als Firma im klassischen Sinne. Flache Hierarchien sind uns wichtig“, so Gripinski. Die GbR als kleinste Rechtsform ist dabei von Vorteil, denn die Designer können als Freiberufler weiterarbeiten. „Für eine GbR braucht man kein Kapital als Sicherheit wie bei einer GmbH“, präzisiert er. „Allerdings ist man dafür persönlich voll haftbar.“ Es herrscht Arbeitsatmosphäre an diesem Vormittag, während Björn Gripinski die Geschichte der noch jungen Firma erzählt, arbeiten die anderen „freybeuter“ konzentriert an ihren Rechnern. Der Raum auf dem Campus der FH ist spartanisch eingerichtet. An den Wänden lehnen einige Regale mit Arbeitsmaterialien und Aktenordnern. In einer Ecke beherbergen große Papprollen ein neu entwickeltes Ausstellungssystem. Das Büro hat die Gruppe im Sommer 2004 bezogen. Für den Raum, den das Brandenburger Existenzgründernetzwerk „BEGIN“ vermittelte, zahlen sie im Moment keine Miete. Neben „BEGIN“ war vor allem der Lotsendienst des „Exist“- Programms ein wichtiger Ansprechpartner für die jungen Gründer. Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierte Institution übernahm die Kosten für Beratung und Qualifikation in Höhe von 2600 Euro für jeden der vier Gründer. „Das Geld durfte aber nur für Beratungen im Bereich Betriebswirtschaft verwendet werden“, erklärt Gripinski. Im Fall der „freybeuter“ ist das Konzept von „Exist“ aufgegangen. Die FH- Studenten sind dabei, sich einen Kundenstamm aufzubauen. Die Auftragslage ist nach eigenem Ermessen gut. „Bis heute haben wir keine Kredite aufgenommen“, ergänzt der Kommunikationsdesigner ein wenig stolz. Auch in Zukunft wollen sie möglichst keine Schulden machen – gerade mit Blick auf die Zeit nach dem Studium. Dass sie im letzten Jahr den mit 4000 Euro dotierten „Senior Coaching Service“- Wettbewerb gewonnen haben und mit einem persönlichen Berater nach Hause gingen, kommt fast nebenbei zur Sprache. Es zeigt aber, dass sie auf einem guten Weg sind. Ob sie von den Aufträgen leben können? Vor der Antwort ist es kurz still im Büro. Für einen Moment liegt etwas von der Ungewissheit in der Luft, die wohl jeder Existenzgründer verspüren muss. Stefan Charné dreht sich auf seinem Stuhl herum und schaltet sich in das Gespräch ein. „Eine Familie lässt sich davon noch nicht ernähren. Wir arbeiten im Moment wie Selbständige, aber verdienen noch wie Studenten.“ Seine Worte klingen nicht bitter, sondern optimistisch. „Wir haben Spaß an dieser Arbeit. Wir wollen das unbedingt machen.“

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