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Landeshauptstadt: Die verführerische Seite der Diktatur

„Ich war ein Teil dieses Systems“ – Minister Rupprecht ruft Lehrer zur differenzierten Sicht auf die DDR-Zeit auf

„Ich war ein Teil dieses Systems“ – Minister Rupprecht ruft Lehrer zur differenzierten Sicht auf die DDR-Zeit auf Von Guido Berg In leidenschaftlicher und teils selbstkritischer Weise haben Brandenburgs Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) und die Bundesbeauftragte für die Akten der DDR-Staatssicherheit, Marianne Birthler (Bündnisgrüne), Lehrer aufgerufen, sich mit ihren Schülern intensiver auch mit der dunklen Seite der DDR-Geschichte zu befassen. Nach einem gestrigen Rundgang im ehemaligen Potsdamer Stasi-Untersuchungsgefängnis sagte Rupprecht, es gebe im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Arbeitsmarktlage die Gefahr der Verklärung der DDR-Zeit. Es werde oft von der sozialen Geborgenheit gesprochen. Es dürfe jedoch nicht vergessen werden, dass „die DDR ein großes Gefängnis war, ein Spitzelstaat“. Der Bildungsminister vermutet, dass viele Lehrer aufgrund ihrer Berufszeit in der DDR Zurückhaltung bei der Behandlung der DDR im Unterricht zeigten. Der Minister, seit sieben Monaten im Amt, sei selbst seit 1975 Lehrer für Sport und Geografie gewesen und habe die erste Hälfte seines Berufslebens in der DDR verbracht. Rupprecht bekannte: „Ich war ein Teil des Systems“ und ergänzte, „und kein unwichtiger Teil“. Trotz einer Lehrtätigkeit zu DDR-Zeiten dürften Lehrer sich nicht aus einer differenzierten Geschichtsbetrachtung heraus halten. Wichtig sei eine objektive Befragung der Vergangenheit und ein Eintreten für die heutige freiheitlich-demokratische Grundordnung. Marianne Birthler ermutigte Lehrer dazu, nicht nach dem Motto, „Mach es wie die Sonnenuhr, zähl die heiteren Stunden nur“ zu verfahren. Niemand dürfe vor den Schattenseiten der Geschichte die Augen verschließen. Es gebe die Auffassung, „es war ganz prima in der DDR, wenn man nicht gerade im Gefängnis saß“. Die Bundesbeauftragte warnte vor „der verführerischen Seite der Diktatur“, die „Vollkaskoversorgung“ hätte für viele auch etwas Attraktives gehabt. Bezug nehmend auf moderne Forschungsergebnisse (Götz Aly: „Hitlers Volksstaat - Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus“) sagte Marianne Birthler, die Treue der Deutschen in der NS-Zeit beruhte auch auf der Tatsachen, dass „sie sozial bestochen waren“. In Reaktion auf Rupprechts Appell an die Lehrer erklärte sie: „Die eigene Geschichte als Lehrkraft steht immer mit im Raum. Sie sollte aber als Chance begriffen werden.“ Die ehemalige Bildungsministerin Brandenburgs ermutigte die Lehrer, auch zu den eigenen Schwächen zu stehen: „Die Schüler erwarten nicht, dass man ein Held war“. Die Bundesbeauftragte wie der Bildungsminister riefen die Lehrer dazu auf, die Gedenkstätten „KGB-Gefängnis Leistikowstraße 1“ als auch die „Lindenstraße 54“ mit ihren Klassen zu besuchen. Wie die Gedenkstättenlehrerin Katrin Eich erklärte, sei die Geschichtsvermittlung am authentischen Ort „ein Traum, weil man so viele Erfolge hat“. Statt zwei wird sie künftig vier Tage pro Woche in der Gedenkstätte tätig sein. Nach dem Rundgang diskutierten Rupprecht und Birthler mit Schülern einer 11. Klasse des Oberstufenzentrums für Wirtschaft und Technik über die DDR-Staatssicherheit. Brandenburgs Bildungsminister erklärte, er habe bislang bei der Birthler-Behörde noch keine Akteneinsicht beantragt – aus Furcht in seinen Akten von Leuten zu lesen, von denen man nie den Verdacht hatte, dass sie einen bespitzeln. Rupprecht kündigte an, nun den Antrag auf Akteneinsicht zu stellen: „Man sollte den Mumm aufbringen.“

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