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Landeshauptstadt: Echte Tränen ohne Patina

Podiumsdebatte zur Garnisonkirche: Man kann auch anderer Meinung sein – wenn es nur die richtige ist

Innenstadt - Sie haben Mut. Das muss man ihnen lassen. Wer geht schon in eine Schalke-Fankneipe und ist dann für Bayern München? Niemand. Und wer lädt in das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte zu einer Diskussion über die Garnisonkirche – und plädiert dann für moderne Architektur und gegen die „Geschichtsklitterung“, die ein Neuaufbau zerstörter historischer Gebäude ja darstelle?

Der Potsdamer Designer Albrecht Ecke, der Architekturkritiker Prof. Falk Jaeger, und Bernhard Schuster, Präsident der Brandenburgischen Architektenkammer, haben es für Donnerstagabend gemeinsam mit der Friedrich-Naumann-Stiftung getan. Mit im Podium – aber nicht auf ihrer Seite – saß Pfarrer Markus Schütte, dem als Mitglied des Fördervereins zum Aufbau der Potsdamer Garnisonkirche die Entrüstung auf Seiten des Publikums freilich nicht galt.

Das „Anti-Garnisonkirchen-Podium“, so ein Zwischenruf, leistete sich Thesen, die bei traditionsbewussten Potsdamern einer Gotteslästerung gleichkommen.

Zuerst Albrecht Ecke und sein Lob der Patina. Das ist das, was ein altes Gebäude mit der Zeit angesetzt hat. Es ist der äußerlicher Ausdruck der vergangenen Zeit. „Patina macht die Geschichte des Hauses lebendig“, sagte Ecke. Bei der Frauenkirche in Dresden hätten nur die wenigen Originalsteine Patina, „aber in einigen Jahren wird alles grau sein und man wird denken können, die Kirche hätte schon immer dagestanden“. Daran würden sich im Podium die wenigsten stoßen, doch Ecke spricht von Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Authentizität, die dennoch verloren geht. Die Reaktion ist entsprechend: „Patina ist keine Leistung der Architektur sondern Ergebnis des zweiten Hauptsatzes der Thermodynamik“, ätzt ein Besucher: „Sie kommt von selbst.“

Pfarrer Schütte nutzte seine Podiumsposition, um das Konzept für eine neu erbaute Garnisonkirche darzulegen. Da es die Militärgemeinde nicht mehr gibt und die Zivilgemeinden keinen Platzbedarf haben, entwickelte er das Stadtkirchen-Konzept einer offenen Kirche für alle ohne Nutzung einer Gemeinde. Weiterhin werde darin eine „Symbolkirchenarbeit“ stattfinden, eine Auseinandersetzung mit der widersprüchlichen Geschichte der Kirche, mit Militarismus und Pazifismus. Zudem müsse es wie in der englischen Stadt Coventry eine Struktur für Versöhnungsarbeit geben.

„Skeptisch“ ist Prof. Jaeger, ob Schüttes Konzept die „Schubkraft“ entwickeln kann für den Neuaufbau der durch den Bombenkrieg schwer beschädigten und 1968 auf SED-Geheiß gesprengten Kirche. Seine Begründung: Trotz starker Schäden in London ist Coventry zum Symbol des Luftkrieges gegen Städte geworden. In Deutschland hätten sich die Gefühle auf Dresden fokussiert. „Diese Funktion ist schon vergeben“, so Prof. Jaeger, „ob diese ein zweites Mal besetzt werden kann, bezweifle ich“. Zudem seien die Räumlichkeiten der Garnisonkirche für die von Schütte konzipierte Nutzung „völlig ungeeignet“. Der Rang der Nutzung müsse dem Rang des Gebäudes gerecht werden. Beim Potsdamer Stadtschloss wäre das der Fall. Der Einzug des Landtags sei „eine historisch-logische Folgerung, der Souverän sitzt in diesem Gebäude“ – mit diesem Satz erzielte Prof. Jaeger Szenenapplaus. Nicht aber mit seinen Beispiel von den japanischen Touristen, die in Goethes Geburtshaus in Frankfurt (Main) in Tränen ausbrechen – weil sie nicht wissen, dass es nach dem Krieg neu errichtet wurde. „Sie werden hinters Licht geführt“, beklagte Prof. Jaeger. Dazu die Reaktion eines Gastes, der wohl eher mit dem Satz „die Geschichte hängt nicht am Stein“ bewies, dass er sich auszudrücken versteht: „Das Goethe-Beispiel zeigt es doch, ob neu oder alt, das sieht am Ende kein Schwein!“

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